3 Gefährdungsbeurteilung
3.1 Allgemein
Bei einer Gefährdungsbeurteilung ermittelt und bewertet die Unternehmerin oder der Unternehmer die Gefährdungen für ihre bzw. seine Beschäftigten, die sich im Rahmen ihrer Tätigkeit aufgrund des eingesetzten Arbeitsmittels, des gewählten Arbeitsverfahrens und der Arbeitsumgebung ergeben können. Sie hat das Ziel, Maßnahmen festzulegen, um eine Gefährdung für Leben und Gesundheit zu vermeiden und eventuell verbleibende Gefährdungen so gering wie möglich zu halten.
Erheblichen Einfluss auf die verbleibenden Gefährdungen hat bereits die Auswahl des jeweiligen Schalungssystems.
Das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung ist zu dokumentieren, Schutzmaßnahmen festzulegen, deren Umsetzung zu organisieren und ihre Wirksamkeit zu kontrollieren.
Siehe § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und Technische Regeln für Betriebssicherheit (TRBS 1111).

3.2 Gefährdungen
Bei der Ermittlung der Gefährdungen sind beispielsweise zu berücksichtigen:
- Planungsunterlagen der Bauherrschaft oder Auftraggebenden
- Hinweise der Koordinatoren (während der Planung und Ausführung)
- das staatliche Vorschriften- und Regelwerk
- die Vorschriften, Regeln und Informationen der Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung
- einschlägige Normen
- die Informationen der Hersteller von Schalungs- und Gerüstsystemen (z. B. Aufbau- und Verwendungsanleitungen)
- Fachregeln der Berufsverbände
Gefährdungen bei Schalungs-, Tragkonstruktions- und Traggerüstarbeiten können sich beispielsweise ergeben durch
- organisatorische Gefährdungen, z. B. fehlende Qualifikation oder Eignung der Beschäftigten, u.a. beim Einsatz bestimmter Arbeitsmittel wie Krane, sowie der Benutzung von persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA),
- mechanische Gefährdungen, z. B. Abstürzen, Abrutschen und Stolpern, unkontrolliert bewegte Teile, Teile mit gefährlichen Oberflächen u. a. durch Fallen auf offenstehende Anschlussbewehrung am Arbeitsplatz und dessen Zugang,
- elektrische Gefährdungen, z. B. Stromschlag, u. a. bei der Verwendung von elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln sowie bei Schalungs-, Tragkonstruktions- und Traggerüstarbeiten in der Nähe von elektrischen Anlagen wie Freileitungen,
- physikalische Gefährdungen, z. B. Lärm, UV-Strahlung, Strahlung, elektromagnetische Felder, u. a. bei Arbeiten mit oder in der Nähe von lärmintensiven Arbeitsmitteln, Durchführung von Schweißarbeiten oder bei Arbeiten im Freien sowie in der Nähe von Sendeanlagen,
- Gefahrstoffe, z. B. Stäube, Flüssigkeiten, Gase, u. a. beim Herstellen und Verschließen von Bohrlöchern, der Verwendung von Trennmitteln sowie dem Säubern von Schalung,
- Arbeitsumgebungsbedingungen, z. B. Klima, u.a. Hitze, Kälte, starken oder böigen Wind, starken Regen, Gewitter, Vereisungen sowie Schneeglätte,
- Gefahren aus dem einzuschalenden oder einzurüstenden Objekt und dessen Arbeitsumgebung, u. a. durch Rohrleitungen, Schächte und Kanäle, unzureichende Tragfähigkeit und unvorteilhafte Oberflächenbeschaffenheit des Untergrunds, Lage von Objekten am oder über dem Wasser, Hydranten und Absperreinrichtungen der öffentlichen Versorgung, Einfluss von Personen-, Bahn- oder Straßenverkehr, Anlagen mit Explosionsgefahr, maschinelle Anlagen und Einrichtungen, Kran- und Förderanlagen, Bauteilen die beim Begehen brechen können, z. B. Faserzement-Wellplatten, Lichtplatten, Glasdächer, Oberlichter, sowie mögliche Notfall- als auch Rettungssituationen von Personen.
Übernimmt die Unternehmerin oder der Unternehmer einen Auftrag, dessen Durchführung zeitlich und örtlich mit Aufträgen anderer Unternehmerinnen oder Unternehmern zusammenfällt, sind sie verpflichtet, sich untereinander abzustimmen, soweit dies zur Feststellung bzw. Vermeidung gegenseitiger Gefährdungen erforderlich ist.
3.3 Maßnahmen
Die beim Beurteilen der Gefährdungen gewonnenen Erkenntnisse bilden die Basis für das Festlegen der erforderlichen Maßnahmen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten. Die Maßnahmen müssen dem Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und Hygiene sowie den Anforderungen der Ergonomie entsprechen. Rechtsverbindliche Anforderungen in Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften sowie gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse sind zu berücksichtigen. Die Maßnahmen müssen geeignet sein, die ermittelten Gefährdungen zu beseitigen bzw. so weit zu reduzieren, dass das Schutzziel erreicht wird.
Werden die in den Technischen Regeln für Arbeits- und Gesundheitsschutz genannten Maßnahmen eingehalten, so ist davon auszugehen, dass die Schutzziele erreicht werden. Es gilt dann die Vermutungswirkung, siehe. z. B. TRBS 2121 "Gefährdung von Beschäftigten durch Absturz – Allgemeine Anforderungen".
Weicht die Unternehmerin oder der Unternehmer von den in den Technischen Regeln genannten Maßnahmen ab oder fehlen diese, muss durch andere Maßnahmen mindestens die gleiche Sicherheit und der gleiche Schutz der Gesundheit der Beschäftigten erreicht werden.
Bei der Verwendung von Schalungen, Tragkonstruktionen und Traggerüsten sind, in Abhängigkeit vom Objekt oder der Konstruktion, geeignete Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz entsprechend der Rangfolge gemäß § 4 Absatz 2 Satz 2 BetrSichV (Absturzsicherung, Auffangeinrichtung, persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz) vor Beginn der Arbeiten zu planen, auszuwählen und festzulegen.
Rangfolge der Schutzmaßnahmen
Bei der Auswahl der Maßnahmen hat der Unternehmer oder die Unternehmerin den im ArbSchG festgelegten Grundsatz der Vermeidung von Gefährdungen zu prüfen und wenn möglich umzusetzen. Beim Festlegen von Maßnahmen ist die Rangfolge der Schutzmaßnahmen nach § 4 ArbSchG zu berücksichtigen. Die Ergebnisse sind zu dokumentieren und die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu kontrollieren.

Abb. 1 Rangfolge der Schutzmaßnahmen bei der Erstellung von Schalungen, Tragkonstruktionen und Traggerüsten
3.4 Planerische, statische und organisatorische Vorgaben
3.4.1 Allgemein
Die planerischen, statischen und organisatorischen Vorgaben der Bauherrschaft oder der Auftraggebenden hat die Unternehmerin oder der Unternehmer in Abhängigkeit von den ausgewählten Arbeitsverfahren, in ihrer bzw. seiner Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen und in der daraus resultierenden Montageanweisung festzulegen.
Vorgaben können z. B. sein:
- Vorhandene Sicherheitseinrichtungen wie z. B. Anschlageinrichtungen
- Gefahrstoffe aus dem Arbeitsbereich/Bauvorhaben
- Tragfähigkeit des Baugrundes, der Bauteile oder des Ankergrundes
- nicht tragfähige oder nicht durchtrittsichere Flächen, belastbare Bauteile, Decken, Böden oder Dachflächen, die beim Begehen brechen können
- nicht außer Betrieb zu nehmende Anlagen
- Auflagen auf Grund des Nachbarschaftsrechtes
- Vorhandene Notausgänge und Fluchtwege (siehe ASR A2.3 Fluchtwege und Notausgänge)
- Lagerflächen, Baustelleneinrichtungen und Zufahrten
- Einwirkungen auf Schalungen, Tragkonstruktionen und Traggerüste
- Schutz der Bausubstanz (z. B. Bauen im Bestand, Glas- oder Leichtmetallkonstruktionen)
3.4.2 Fehlende Voraussetzungen
Es gehört zu den Pflichten der Bauherrschaft, die beschriebenen Voraussetzungen an der baulichen Anlage zu erfüllen, damit die ausführende Unternehmerin oder der ausführende Unternehmer die ihr oder ihm obliegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzpflichten erfüllen kann.
Siehe §§ 2 und 3 Baustellenverordnung.
Geeignete Maßnahmen und vorhandene Einrichtungen zur Erfüllung können z. B. sein:
- Benennung des Koordinators oder der Koordinatorin nach Baustellenverordnung
- Vorbereiten des Planums innerhalb und außerhalb der Gebäude oder baulichen Anlage für den Einsatz von Schalungen, Tragkonstruktionen und Traggerüsten, Fahr-, Arbeits- und Schutzgerüsten oder Hubarbeitsbühnen
- Bereitstellen der Gründung, insbesondere von Hilfsfundamenten
- unverschiebliche und begehbare Abdeckungen von Deckenöffnungen
- Befestigungsmöglichkeiten für Seitenschutzbauteile an Absturzkanten
- Befestigungsmöglichkeiten für Schutznetze oder Dachrandsicherungen
- Erforderliche Anschlagmöglichkeiten für persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz (PSAgA)
- Verankerungsmöglichkeiten
- Stellung von Treppentürmen
Hat die Unternehmerin oder der Unternehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, insbesondere hinsichtlich der Sicherung gegen Unfallgefahren, so haben sie diese den Auftraggebenden unverzüglich – möglichst schon vor Beginn der Arbeiten – schriftlich mitzuteilen.
3.4.3 Berücksichtigung von Hinweisen
Die Unternehmerin oder der Unternehmer hat vor und während der Ausführung der Arbeiten die Hinweise der Koordinierenden (Planung/Durchführung) nach der Baustellenverordnung und des Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes zu berücksichtigen.