Es gibt mehrere Arten von Gehörschützern, deren Passform oder akustische Eigenschaften individuell an die Benutzer und Benutzerinnen angepasst werden können bzw. müssen: Gehörschutz-Otoplastiken, individuell angepasste pegelabhängig dämmende Gehörschützer und Hörgeräte für den Lärmarbeitsplatz. Dieser Abschnitt stellt spezielle Aspekte für die genannten Produkte zusammen.
Gehörschutz-Otoplastiken werden in der Verordnung (EU) 2016/425 als serienmäßig hergestellte PSA bezeichnet, bei der jedes Einzelstück an seinen individuellen Benutzer bzw. seine Benutzerin angepasst wird. Im Rahmen der Baumusterprüfung wird sichergestellt, dass auch diese individuellen Produkte die notwendige zuverlässige Schutzwirkung erreichen.
Die wesentlichen Herstellungsschritte, welche alle individuelle Maßnahmen erfordern, sind die Ohrabformung, die Herstellung des Ohrpassstücks selbst und die Auslieferung mit Funktionskontrolle. Sie werden im Anhang 9 durch Abbildungen im Detail dargestellt.
Die Ohrabformung erfolgt nach Otoskopie und Platzierung einer Tamponade zum Schutz des Trommelfells meist durch Einspritzen eines Zwei-Komponenten-Silikons in den Gehörgang und ggf. die Ohrmuschel.
Die Abformung wird nach Aushärten aus dem Ohrkanal entnommen, meist eingescannt und am Rechner bearbeitet, um die Form der Otoplastik mit definierten Dichtzonen zu erhalten. Diese wird je nach Material der fertigen Gehörschutz-Otoplastik direkt über ein 3D-Verfahren gedruckt (Acryl, Nylon) oder als Negativform hergestellt (Silikon). Die manuelle Bearbeitung der Abformung wird nur noch in geringem Umfang praktiziert.
Der letzte Schritt umfasst die Auslieferung des Produkts mit Einweisung und Funktionskontrolle. Nach TRLV Lärm gilt für Gehörschutz-Otoplastiken: "Nur bei fachgerechter Herstellung und Funktionskontrolle bei Auslieferung sowie regelmäßig wiederkehrender Funktionskontrolle im Abstand von höchstens drei Jahren ist die Schutzwirkung der Gehörschutz-Otoplastiken gewährleistet. Eine Zusammenlegung der Funktionskontrolle mit der arbeitsmedizinischen Vorsorge hat sich als praktikabel erwiesen." Ist die Funktionskontrolle bei Auslieferung nicht möglich, muss sie in jedem Fall vor der ersten Verwendung durchgeführt werden (siehe Präventionsleitlinie "Benutzung von Gehörschutz-Otoplastiken").
Die Kontrolle kann eine akustische Prüfung oder eine Druckmessung der im Gehörgang getragenen Gehörschutz-Otoplastik sein (siehe Abschnitt 7.12).
Für die Erstkontrolle bei Auslieferung ist die Herstellfirma der Otoplastiken verantwortlich. Für die wiederkehrende Funktionskontrolle ist das Unternehmen der Beschäftigten verantwortlich, welche die Otoplastiken benutzen. Die Funktionskontrolle kann durch die Herstellfirma oder durch eine vom Unternehmen beauftragte Person durchgeführt werden.
Erstkontrolle und wiederkehrende Funktionskontrolle sollten nach der gleichen Methode (siehe Abschnitt 7.12) durchgeführt werden, um Veränderungen in der Passgenauigkeit feststellen zu können. Ist dies nicht möglich (z. B. durch Verwendung von Audiometern durch Betriebsärztin/Betriebsarzt und Druckprüfung durch die Herstellfirma), sollte das betriebliche Verfahren bei der Erstkontrolle mit der Methode der Herstellfirma abgeglichen werden. Die Unterlagen zur wiederkehrenden Funktionskontrolle sind im Unternehmen für die Dauer der Nutzung der Gehörschutz-Otoplastiken aufzubewahren.
Personen, die die Ohrabformung durchführen, müssen über die erforderliche Fachkunde für Ohrabdrucknahme verfügen. Handelt es sich bei diesen Personen nicht um ausgebildete Hörakustiker bzw. Hörakustikerinnen, sollte das Wissen dazu über eine spezielle Ausbildung vermittelt werden. Inhalte und Gegenstand der Ausbildung sind z. B.:
Generell ist eine individuelle Auswahl und Anpassung von pegelabhängig dämmenden Gehörschützern komplex, was sich aus dem Zusammenspiel von Arbeitsgeräuschsituation, Elektronik und Einstellbarkeit der Geräte und Hörvermögen bzw. Hörschwelle der Benutzer bzw. Benutzerinnen ergibt.
Die Entscheidung für ein Produkt wird besonders schwierig, wenn das Hörvermögen der Benutzer bzw. Benutzerinnen reduziert ist (lärmbedingte oder altersbegleitende Hörschwellenverschiebung). Trageversuche sind für diesen Personenkreis bei dieser Auswahl unbedingt anzuraten.
Eine gute Versorgung lässt sich im Allgemeinen dann erreichen, wenn spezielle Produkte zum Einsatz kommen, für welche die Verstärkung des Umgebungsschalls frequenzabhängig auf die Hörminderung der Benutzer und Benutzerinnen eingestellt werden kann. Das Ergebnis kann eine bessere Signalerkennung und, je nach Art der Hörminderung, eine verbesserte Spracherkennung sein. Diese Anpassung des individuell einstellbaren Gehörschutzes kann bei der Herstellfirma oder durch Hörakustikfachleute mit Hilfe des Tonaudiogramms durchgeführt werden. Die Konsultation eines Hörakustikfachgeschäfts wird empfohlen. Folgende Gesichtspunkte sollten beim Einsatz von individuell angepassten pegelabhängig dämmenden Gehörschützern berücksichtigt werden:
Auswahl:
Individuelle Anpassung:
Benutzung:
Im Gegensatz zu pegelabhängig dämmenden Gehörschützern werden zugelassene Hörgeräte an Lärmarbeitsplätzen erst eingesetzt, wenn die Hörschwellenverschiebung die Kriterien für eine Hörgeräteversorgung erreicht oder überschritten hat. Individuelle Auswahl und Anpassung erfolgen in diesem Fall durch Hörakustikfachleute.
Es gibt arbeitstechnische Voraussetzungen, welche den Hörgeräteeinsatz im Lärmbereich erforderlich machen können:
Zum Einsatz in Lärmbereichen sind nur Hörgeräte zulässig,
Alle eingesetzten Hörgeräte müssen beim Einschalten das Arbeitsplatzprogramm (Programmplatz 1) aktivieren, welches bis zum Kriteriumspegel die Einhaltung des maximal zulässigen Expositionswertes von 85 dB(A) sicherstellt. Die Umschaltung in lautere Freizeitprogramme darf nur außerhalb von Lärmbereichen erfolgen und muss vom Benutzer bzw. der Benutzerin als bewusste Handlung ausgeführt werden.
Komplettsysteme zeichnen sich durch eine Begrenzung der Einstellbarkeit der Software durch die Hörakustikfachleute aus. Diese Begrenzung und die konkrete Einstellung der Prüfmuster muss im Rahmen der EU-Baumusterprüfung auf Basis des IFA-Prüfgrundsatzes GS-IFA-P14 "Grundsätze für die Prüfung und Zertifizierung von Hörgeräte-Komplettsystemen für den Lärmarbeitsplatz als Gehörschutz" durch eine Zusatzprüfung bei einer Stelle für Bauartprüfungen von Hörgeräten (z. B. Deutsches Hörgeräte Institut DHI) nachgewiesen werden.
Anforderungen an die für den Lärmbereich zugelassenen Hörgeräte als kombinierbare Systeme finden sich im DGUV Grundsatz 312-002 "Hörgeräte zur Verwendung mit einer Gehörschutz-Otoplastik für den Einsatz in Lärmbereichen". Die Gehörschutz-Otoplastik wird auf Basis des IFA-Prüfgrundsatzes GS-IFA-P16 "Grundsätze für die Prüfung und Zertifizierung von Gehörschutz-Otoplastiken für Hörgeräte für den Lärmarbeitsplatz als Gehörschutz" zugelassen. Die Hörakustikfachleute stellen für jede Versorgung eine geeignete Kombination aus Hörgerät und Gehörschutz-Otoplastik zusammen. Kombinierbare Hörgeräte sind auf www.dguv.de > Webcode d1183003 aufgeführt.
Bei allen Hörgeräte-Versorgungen für den Lärmarbeitsplatz ist eine Erfolgskontrolle zur Verbesserung des Sprachverstehens und ausreichender Signalwahrnehmbarkeit nötig. Eine individuelle In-situ-Messung ist nötig, um die Einhaltung des maximal zulässigen Expositionswerts für alle Einzelfälle sicherzustellen.