5 Gefahrstoff-Exposition
5.1 Gefahrstoffe
Beim Kaltfräsen können die im Asphalt verwendeten Gesteine zerkleinert werden, wodurch einatembarer Staub (E-Staub), alveolengängiger Staub (A-Staub), alveolengängiger Quarzstaub und Asbestfasern (wenn mineralische Rohstoffe mit natürlichem Asbestgehalt verwendet wurden) freigesetzt werden. Messwerte aus den letzten Jahren zeigen, dass die Maschinenführenden und das Bodenpersonal von Standard-Fräsmaschinen Expositionen über den Beurteilungsmaßstäben ausgesetzt sein können [11].
Tabelle 1 Gefahrstoffe, Beurteilungsmaßstäbe und Einstufung
Gefahrstoffe |
Einstufung* |
Beurteilungsmaßstäbe |
Alveolengängiger Staub |
keine |
1,25 mg/m3 (AGW) TRGS 900 [12]
|
Staub Einatembare Fraktion |
keine |
10 mg/m3 (AGW) Überschreitungsfaktor 2 (II) TRGS 900 |
Quarzstaub (A-Fraktion) |
Krebserzeugend Kat. 1 (MAK) |
0,05 mg/m3 Überschreitungsfaktor 8 TRGS 559 [13] TRGS 906 [14] |
Asbest |
Karzinogenität Kat. 1A; H350 Spezifische Zielorgan-Toxizität (wiederholte Exposition), Kat. 1; H372 |
10.000 F/m³ (AK) und 100.000 F/m³ (TK) Überschreitungsfaktor TK 8 (II) TRGS 910 [15] |
* Mindesteinstufung bzw. Herstellerangaben – Quelle: www.dguv.de/ifa/stoffdatenbank
Erläuterungen TRGS 900 [12]
Überschreitungsfaktor X (I): Als Mittelwert über 15 min darf eine 2-fache AGW-Konzentration nicht überschritten werden (Stoffe, bei denen die lokale Wirkung grenzwertbestimmend ist oder atemwegssensibilisierende Stoffe).
Überschreitungsfaktor X (II): Als Mittelwert über 15 min darf eine 2-fache AGW-Konzentration nicht überschritten werden (Resorptiv wirksame Stoffe). Hier sind auch längere Überschreitungsdauern zulässig. Solange das Produkt aus Überschreitungsfaktor (ÜF) und Überschreitungsdauer eingehalten wird (Bsp.: Bei einem ÜF von 8 ist auch ein ÜF 4 über 30 min oder ein ÜF 2 über 60 min möglich.)
AGW: Arbeitsplatzgrenzwert (TRGS 900).
Erläuterungen TRGS 910 [15]
AK: Akzeptanzkonzentration; TK: Toleranzkonzentration
Weitere Erläuterungen
MAK: Maximale Arbeitsplatz-Konzentration nach MAK- und BAT-Werte-Liste der Deutschen Forschungsgemeinschaft. [16]
CLP-Verordnung:
H350: Kann Krebs erzeugen (Expositionsweg angeben, sofern schlüssig belegt ist, dass diese Gefahr bei keinem anderen Expositionsweg besteht). H372: Schädigt die Organe (alle betroffenen Organe nennen) bei längerer oder wiederholter Exposition (Expositionsweg angeben, wenn schlüssig belegt ist, dass diese Gefahr bei keinem anderen Expositionsweg besteht).
- A- und E-Staub
Für A- und E-Staub gilt der Allgemeine Staubgrenzwert, welcher die Beeinträchtigung der Funktion der Atmungsorgane in Folge einer allgemeinen Staubwirkung verhindern soll und in jedem Fall in Ergänzung spezifischer Luftgrenzwerte einzuhalten ist. Nach TRGS 900 liegt der Allgemeine Staubgrenzwert für die alveolengängige Fraktion zurzeit bei 1,25 mg/m³, während für die einatembare Fraktion ein Wert von 10 mg/m³ (ÜF = 2(II)) gültig ist [12].
- Quarzstaub
Liegen für Stoffe keine Arbeitsplatzgrenzwerte vor, müssen nach TRGS 402 Nr. 5.4 zur Bewertung der Exposition und zur Überprüfung der Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen andere Beurteilungsmaßstäbe herangezogen werden. Diese können mögliche akute und chronische Schäden der Gesundheit berücksichtigen oder Informationen zum Stand der Technik liefern.
Tätigkeiten oder Verfahren, bei denen Beschäftigte alveolengängigem Staub aus kristallinem Siliziumdioxid (Quarzstaub) ausgesetzt sind, werden nach TRGS 906 [14] als krebserzeugend bewertet. Demnach sind besondere Schutzmaßnahmen nach § 10 GefStoffV einzuhalten und im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung so umzusetzen, dass die Belastung entsprechend dem Stand der Technik minimiert wird.
Die TRGS 559 "Quarzhaltiger Staub" [13] gilt zum Schutz der Beschäftigten bei Tätigkeiten, bei denen quarzhaltige Stäube auftreten können. Für quarzhaltigen Staub gilt demnach ein Beurteilungsmaßstab von 0,05 mg/m³. Der maximale Überschreitungsfaktor beträgt 8. Der Beurteilungsmaßstab ist in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen und zu unterschreiten.
- Asbest
Asbest ist gemäß CLP-Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 als krebserzeugender Gefahrstoff der Kategorie 1A eingestuft [17]. Für krebserzeugende Gefahrstoffe werden in Deutschland Exposition-Risiko-Beziehungen abgeleitet, welche den Zusammenhang zwischen der Stoffkonzentration (inhalative Aufnahme) und der statistischen Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Krebserkrankung beschreiben; Informationen hierzu sind in der TRGS 910 zu finden [15]. Aus diesen Expositions-Risiko-Beziehungen ergeben sich für Stoffe Akzeptanzkonzentrationen (AK) und Toleranzkonzentrationen (TK). Die TRGS 910 sieht folgende Vorgehensweise vor:
- Bereich unterhalb AK entspricht dem Bereich des geringen Risikos,
- zwischen AK und TK entspricht dem Bereich des mittleren Risikos; hier sind technische und organisatorische Maßnahmen zu ergreifen und bei
- Überschreitung TK entspricht dem Bereich des hohen Risikos mit der unmittelbaren Notwendigkeit zusätzlicher Maßnahmen.
Zum Schutz der Beschäftigten vor inhalativen Belastungen sind die in der TRGS 910 vorgegebenen Akzeptanz- und Toleranzkonzentrationen von 10.000 F/m³ (AK) und 100.000 F/m³ (TK) einzuhalten. Da bei Straßenfräsarbeiten asbesthaltige Stäube auftreten können, unterliegen sie der TRGS 517 [18]. Das bei der Beurteilung der Exposition angewendete Verfahren ist in der DGUV Information 213-546 beschrieben [19].
Hierbei ist die Nachweisgrenze wesentlich vom Probeluftvolumen abhängig und liegt für 40 l/cm² Filterfläche unter Standardauswertebedingungen bei 15.000 F/m³. Ergebnisse werden jedoch bereits oberhalb der analytischen Empfindlichkeit von 5.000 F/m³ ausgewiesen.
5.2 Arbeitsbereiche und Messstellen
Die Messungen der inhalativen Exposition der Beschäftigten bei Straßenfräsarbeiten wurden im Jahr 2018 durch Messungen des Instituts für Gefahrstoff-Forschung (IGF) der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) durchgeführt und umfassten als Gefahrstoffe A- und E-Staub, Quarzstaub und Asbestfasern. Gegenstand der Untersuchungen waren BOMAG-Kaltfräsen, bei denen als Staubminderungstechnik eine Absaugung, ein Elektroabscheider sowie eine nachgeschaltete Wasser-Bedüsung verbaut waren.
Folgende Messorte wurden festgelegt:
- Bodenpersonal, personengetragen (nur bei der Großfräse: BM 2000/75),
- Maschinenführende, personenbezogen durch Messgeräte links und rechts des Fahrerstandes,
- Bandabwurf links und rechts an der Übergabestelle des Fräsgutes auf das Transportfahrzeug (Worst case, kein Arbeitsplatz), hierbei handelt es sich um Emissionsmessungen.
Die vom IGF in Österreich durchgeführten Messungen wurden entsprechend der TRGS 402 durchgeführt.
5.3 Bewertung der Gefahrstoffexposition
Die Messungen erfolgten über Messdauern zwischen 3 und 5 Stunden während des normalen Betriebes beim Fräsen von Fahrbahnbelägen, einschließlich der üblichen Rüst- und Nebenzeiten (Meißelwechsel, Rangierfahrten, Nachfüllen von Wasser). Diese Tätigkeiten dauern über die gesamte Schicht an und werden regelmäßig durchgeführt, womit die dargestellten Messwerte als repräsentative Schichtmittelwerte anzusehen sind. Die Messergebnisse sind in Tabelle 2 für die Messungen an Großfräsen (Fräsbreite 2 m) und Tabelle 3 für Messungen an den Kompaktfräsen (Fräsbreite 1 m) dargestellt.
Tabelle 2 Übersicht der Messungen an Großfräsen BM 2000/75
Gefahrstoff CAS-Nr. |
Messort |
Anzahl der Mess- werte |
Mini- malwert Wmin |
Mittel- wert MW |
95. Per- zentil |
Maxi- malwert Wmax |
A-Staub [mg/m³] |
Maschinenführende |
17 |
0,13 |
0,22 |
0,35 |
0,49 |
Bodenpersonal |
17 |
0,12 |
0,19 |
0,27 |
0,36 |
Bandabwurf |
17 |
0,44 |
1,54 |
3,05 |
4,08 |
E-Staub [mg/m³] |
Maschinenführende |
17 |
0,27 |
0,64 |
1,26 |
1,45 |
Bodenpersonal |
17 |
0,13 |
0,47 |
1,11 |
1,30 |
Bandabwurf |
17 |
0,96 |
2,83 |
5,43 |
6,17 |
Quarz [mg/m³] 14808-60-7 |
Maschinenführende |
17 |
0,00 |
0,006 |
0,01 |
0,02 |
Bodenpersonal |
17 |
0,00 |
0,005 |
0,01 |
0,01 |
Bandabwurf |
17 |
0,00 |
0,057 |
0,13 |
0,32 |
Asbest [Fasern/m³] 1332-21-4 |
Maschinenführende |
12 |
448 |
1632 |
4208 |
11479 |
Bodenpersonal |
7 |
< 823 |
< 1313 |
< 2762 |
8540 |
Bandabwurf |
10 |
< 832 |
< 1195 |
< 2482 |
3389 |
Tabelle 3 Übersicht der Messungen an Kompaktfräsen BM 1000/35
Gefahrstoff CAS-Nr. |
Messort |
Anzahl der Mess- werte |
Mini- malwert Wmin |
Mittel- wert MW |
95. Per- zentil |
Maxi- malwert Wmax |
A-Staub [mg/m³] |
Maschinenführende |
11 |
0,08 |
0,20 |
0,43 |
0,47 |
Bandabwurf |
11 |
0,54 |
2,07 |
6,12 |
8,21 |
E-Staub [mg/m³] |
Maschinenführende |
11 |
0,15 |
0,37 |
0,68 |
0,74 |
Bandabwurf |
11 |
0,28 |
3,21 |
9,49 |
11,93 |
Quarz [mg/m³] 14808-60-7 |
Maschinenführende |
11 |
0,003 |
0,0065 |
0,014 |
0,015 |
Bandabwurf |
11 |
0,0093 |
0,26 |
1,04 |
1,73 |
Asbest [Fasern/m³] 1332-21-4 |
Maschinenführende |
10 |
< 1115 |
< 3265 |
6954 |
8839 |
Bandabwurf |
10 |
< 1178 |
< 2677 |
< 3866 |
3885 |
- A-Staub
Die Ergebnisse der durchgeführten Expositionsmessungen zeigen, dass bezogen auf eine achtstündige Arbeitsschicht der Allgemeine Staubgrenzwert für A-Staub bei Anwendung der beschriebenen Gerätschaften und der Umsetzung der in dieser EGU beschriebenen technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen eingehalten wird. Für die Maschinenführenden wurde ein Schichtmittelwert im 95. Perzentil von 0,35 mg/m³ (28 % des Grenzwertes) für die Großfräse, und 0,43 mg/m³ (34,4 % des Grenzwertes) für die Kleinfräse ermittelt.
Die stationäre Messung am Bandabwurf ergab einen 95. Perzentil von 3,05 mg/m³ an der Großfräse (2,4-fache des Grenzwertes) und 6,12 mg/m³an der Kleinfräse (4,9-fache des Grenzwertes). Es handelt sich bei der Übergabestelle des Fräsgutes auf das Transportfahrzeug um die Stelle mit der höchsten zu erwartenden Konzentration, ein Arbeitsplatz ist für diesen Messort nicht definiert.
- E-Staub
Für die Maschinenführenden der Großfräse wurde ein 95. Perzentil von 1,26 mg/m³ (12,6 % des AGW) und für die Maschinenführenden der Kleinfräse ein 95-Perzentilwert von 0,68 mg/m³ (< 10 % des AGW) ermittelt. Das 95-Perzentil für das Bodenpersonal der Großfräse lag bei 1,11 mg/m³ (11,1 % des AGW).
Die stationäre Messung am Bandabwurf ergab einen 95. Perzentil von 5,43 mg/m³ (54,3 % des AGW) für die Großfräse und 9,49 mg/m³ (94,9 % des AGW) für die Kleinfräse – damit lag selbst im Falle der Worst case Messung der Schichtmittelwert aller 17 Messungen unterhalb des Allgemeinen Staubgrenzwertes für E-Staub von 10 mg/m³. Bei den Emissionsmessungen am Bandabwurf können Konzentrationen oberhalb des AGW auftreten. Es handelt sich hierbei nicht um einen Arbeitsplatz.
- Quarzstaub
Für Maschinenführende und Bodenpersonal der Großfräse, beträgt der 95. Perzentil jeweils 0,01 mg/m³ (20 % des Beurteilungsmaßstabes). Der 95. Perzentil für die Maschinenführenden an der Kleinfräse wurde mit 0,014 mg/m³ (28 % des Beurteilungsmaßstabes) ermittelt. Der geltende Beurteilungsmaßstab für Quarz im A-Staub von 0,05 mg/m³ wurde damit für alle Arbeitsplätze eingehalten. Bei den Emissionsmessungen am Bandabwurf ergab sich ein 95. Perzentil von 0,13 mg/m³ an der Großfräse (2,6-fache des Beurteilungsmaßstabes) und 1,04 mg/m³ (20,8-fache des Beurteilungsmaßstabes) an der Kleinfräse.
Bei den Emissionsmessungen am Bandabwurf können Konzentrationen oberhalb des Beurteilungsmaßstabs auftreten.
- Asbest
Großfräse:
Insgesamt konnten 12 Messungen an Maschinenführenden, 7 Messungen am Bodenpersonal und 10 Messungen am Bandabwurf ausgewertet werden. Dabei ergab sich beim Maschinenführenden ein 95-Perzentilwert von 4208 F/m³ (42,1 % der AK). Beim Bodenpersonal lag das 95. Perzentil < 2762 F/m³ (< 27,6 % AK) und am Bandabwurf betrug das 95. Perzentil < 2482 F/m³ (< 24,82 % der Akzeptanzkonzentration).
Kompaktfräse:
Hier konnten insgesamt 10 Messungen am Maschinenführenden und am Bandabwurf analysiert werden. Bei Maschinenführenden lag das 95. Perzentil bei 6954 F/m³ (69,54 % der AK) und am Bandabwurf bei < 3866 F/m³ (< 38,66 % der AK).
Wirksamkeit des BOMAG-Elektroabscheiders:
Insgesamt konnte die Einhaltung der Beurteilungsmaßstäbe belegt werden. Daher ist der Einsatz des Elektroabscheiders, als technische Maßnahme zur Expositionsminderung zu empfehlen. Dies gilt sowohl an der Groß- als auch der Kleinfräse. Im Anhang sind die Abscheidegrade des Elektroabscheiders hinsichtlich A- und E-Staub sowie Quarz grafisch dargestellt.