6 Hinweise für die Erstellung von Handlungshilfen zur Gefährdungsbeurteilung
6.1 Ziele und Aufgaben von Handlungshilfen
Die von den Unfallversicherungsträgern zur Verfügung gestellten Handlungshilfen sollen in erster Linie den Nutzen der Gefährdungsbeurteilung herausstellen und eine gute Handhabbarkeit gewährleisten. Es soll aufgezeigt werden, dass gute Arbeitsbedingungen und ergonomische Arbeitsplätze ohne eine Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten im Interesse aller sind. Neben seiner sozialen Verantwortung soll der Unternehmer erkennen, dass mit der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nicht nur eine gesetzlich formulierte Forderung erfüllt ist, sondern dass damit auch eine Wertschöpfung verbunden ist (Stichwort: "Return on Prevention").
Die Unfallversicherungsträger sollten bei der Erstellung von Handlungshilfen der Vielfalt an Branchen und Themen in den Betrieben ebenso gerecht werden, wie unterschiedlichen Betriebsstrukturen und Betriebsgrößen, um passgenaue Hilfen zur Erstellung der Gefährdungsbeurteilung anzubieten. Grundlage hierfür kann das Unfall- und Berufskrankheitengeschehen der Branchen sein.
Es ist empfehlenswert, bei der Erstellung von Handlungshilfen die jeweiligen Zielgruppen einzubeziehen.
6.2 Inhalte von Handlungshilfen
Folgende Mindestanforderungen im Sinne dieses Grundsatzes an die Inhalte von Handlungshilfen zur Gefährdungsbeurteilung müssen erfüllt sein:
- Es muss in Handlungshilfen darauf hingewiesen werden, dass eine hinsichtlich des Arbeitsschutzes rechtskonform funktionierende Aufbau- und Ablauforganisation eine Voraussetzung für eine wirksame Gefährdungsbeurteilung ist (vgl. Kapitel 4).
- Handlungshilfen müssen Hinweise darauf geben, dass es Verantwortlichkeiten zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung bedarf (vgl. hierzu Kapitel 4).
- Handlungshilfen müssen die Aussage treffen, dass bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung ggf. weitere Expertise hinzugezogen werden muss.
- Handlungshilfen müssen auf die spezielle Betrachtung besonderer Personengruppen hinweisen, wie zum Beispiel Jugendliche, werdende und stillende Mütter, Beschäftigte ohne ausreichende Deutschkenntnisse, Menschen mit Behinderung, Leiharbeitnehmer, Praktikanten und Berufsanfänger.
- Handlungshilfen müssen auf vom Regelbetrieb abweichende Betriebszustände wie Wartung, Instandhaltung, Reinigung, Störungsbeseitigung etc. hinweisen.
- Die Handlungshilfen der UVT müssen alle Prozessschritte nach diesem Grundsatz berücksichtigen.
- Es müssen Hinweise zur Bewertung der Gefährdungen sowie zur Priorisierung und Rangfolge der Schutzmaßnahmen gegeben werden (vgl. hierzu Anlage "Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation").
- Die Handlungshilfen müssen geeignete Maßnahmen vorschlagen, aus welchen der Anwender bzw. die Anwenderin auswählen kann. Bei der Beschreibung der Maßnahmen ist die Maßnahmenhierarchie zu berücksichtigen.
- Es müssen Hinweise gegeben werden, wie die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen überprüft und auf Dauer gewährleistet werden kann (vgl. hierzu Anlage "Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation").
- Handlungshilfen müssen Hinweise geben, wann eine Gefährdungsbeurteilung zu aktualisieren bzw. zu überprüfen ist (vgl. hierzu Anlage "Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation").
- Handlungshilfen müssen Hinweise zur Dokumentation geben (vgl. hierzu Anlage "Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation").
- Sofern Handlungshilfen Mustervorlagen beinhalten, müssen sie unter anderem die Festlegung der Maßnahmen und der verantwortlichen Personen und Termine ermöglichen. Dies gilt auch für die Wirksamkeitskontrolle.
- Es muss der Hinweis enthalten sein, dass alleine durch die Anwendung einer Handlungshilfe die Gefährdungsbeurteilung nicht automatisch vollständig ist und die besonderen betrieblichen Gegebenheiten zu berücksichtigen sind.
- In Handlungshilfen ist auf die Rechtsunverbindlichkeit des Inhaltes hinzuweisen.
Die Berücksichtigung folgender weiterer Aspekte ist bei den Inhalten von Handlungshilfen zur Gefährdungsbeurteilung empfehlenswert:
- Handlungshilfen können Hinweise zu notwendigen vorbereitenden Organisationsmaßnahmen geben, wie zum Beispiel die Klärung der Schnittstellen zu anderen Organisationseinheiten, die Auswahl der einzusetzenden Instrumente bzw. Erhebungsmethoden, Ablagemöglichkeiten und Zugangsmöglichkeiten zur Dokumentation, Qualifizierungsangebote für Führungsverantwortliche oder die Zusammenarbeit mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit, dem betriebsärztlichen Dienst und der betrieblichen Interessenvertretung.
- Handlungshilfen sollten auf die Einbeziehung bestehender DGUV Branchenregeln in die Gefährdungsbeurteilung hinwirken. Einbezogen werden können darüber hinaus auch Basis- und Branchenkataloge der Unfallversicherungsträger, Prüflisten und Checklisten sowie Mustervorlagen.
- Es können Hinweise zu weiterführenden Informationsquellen enthalten sein.
- Es kann die Aussage enthalten sein, dass bei der Gefährdungsbeurteilung die betroffenen Personengruppen beteiligt werden sollten, zum Beispiel bei der Betrachtung des Faktors psychische Belastung im Rahmen von Workshops oder Gesundheitszirkeln.
- Es können Hinweise gegeben werden, dass und unter welchen Voraussetzungen tätigkeits- und arbeitsbereichsübergreifende Gefährdungen und Belastungen zusammengefasst werden können.
- Als Hilfe zur Priorisierung erforderlicher Maßnahmen kann zum Beispiel auf das Ampelsystem hingewiesen werden.
- Handlungshilfen sollten herausstellen, dass die einschlägigen Gesetze, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschriften keine bestimmte mediale Form für die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung vorsehen.
- Handlungshilfen können den Hinweis enthalten, dass in der Regel ein von den GDA-Trägern begutachtetes oder von anderer Seite zertifiziertes Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) geeignet ist, eine wirksame Arbeitsschutzorganisation nachzuweisen.
6.3 Gestaltung von Handlungshilfen
Aspekte bei der Gestaltung von Handlungshilfen zur Gefährdungsbeurteilung:
- Die Sprache und die Gestaltung sollten sich an der jeweiligen Zielgruppe orientieren.
- Bei der Verwendung von Fachbegriffen sollten diese auf Verständlichkeit in der jeweiligen Zielgruppe geprüft werden.
- Es sollte ein Ausgabestand oder ein Revisionsstand angegeben werden, damit die Aktualität einer Handlungshilfe eingeschätzt und ein zeitlicher Bezug zu Änderungen im Vorschriften- und Regelwerk sowie im Normungswesen hergestellt werden kann.
- Der Umfang einer Handlungshilfe sollte sich an der Komplexität der zu beurteilenden Gefährdungen und Belastungen orientieren. (Hinweis: Komplexe Fragestellungen erfordern ggf. ausführliche ergänzende Informationen und Erläuterungen.)
- Die Gestaltung sollte die gewählte mediale Form unterstützen, um die Anwendbarkeit und Verständlichkeit einer Handlungshilfe zu fördern.
(Hinweis: Dies kann zum Beispiel durch die Verwendung von Grafiken, Bildern, Ablaufschemata, Videoclips, Audiodateien usw. erreicht werden. Elektronische Produkte bieten umfangreichere Möglichkeiten der Verknüpfung von Sprache, Bild und Ton.) - Handlungshilfen können so gestaltet werden, dass sie gleichzeitig zur Erfüllung der einschlägigen Dokumentationspflichten geeignet sind.
- Bei elektronischen Handlungshilfen können Funktionalitäten zur Speicherung von mitgeltenden Dokumenten (zum Beispiel Unterweisungsnachweise oder Prüflisten, Betriebs- bzw. Arbeitsanweisungen, Messprotokolle, Begehungsprotokolle, Fotos, Videos oder Audioaufzeichnungen) enthalten sein.
- Elektronische Handlungshilfen können Funktionalitäten beispielsweise zum Generieren von Maßnahmenplänen, Unterweisungs- und Prüflisten oder Betriebs- und Arbeitsanweisungen beinhalten.