4. Kriterien für die Veranlassung von Pflichtvorsorge
Mithilfe des in 4.1 beschriebenen Vorgehens sollen die betrieblich Verantwortlichen in die Lage versetzt werden, praxisnah die Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich extremer Hitzebelastung, die zu einer besonderen Gefährdung führen kann, durchzuführen. Wegen der Komplexität der zu berücksichtigenden Einflussfaktoren soll sich der Arbeitgeber hinsichtlich der Veranlassung von Pflichtvorsorge von dem oder der mit den Arbeitsplatzverhältnissen vertrauten Arzt oder Ärztin nach § 7 ArbMedVV (Betriebsarzt oder Betriebsärztin) beraten lassen.
4.1 Vorgehen
(1) Der Arbeitgeber hat zunächst zu prüfen, ob der oder die Beschäftigte eine Tätigkeit mit extremer Hitzebelastung nach Abschnitt 4.2 ausübt. In Abschnitt 4.2 werden Beispiele genannt, bei denen von einer extremen Hitzebelastung auszugehen und eine Pflichtvorsorge zu veranlassen ist.
(2) Ist nach Absatz 1 keine Pflichtvorsorge zu veranlassen, prüft der Arbeitgeber nach Abschnitt 4.3, ob eine Tätigkeit vorliegt, bei der keine extreme Hitzebelastung vorliegt und somit Wunschvorsorge in Betracht kommt.
(3) Ist nach Absatz 1 oder 2 keine Zuordnung der Tätigkeit bezüglich Hitzebelastung möglich, so sind die in Abschnitt 4.4 genannten Kriterien zu prüfen. Wird mindestens ein Kriterium erfüllt, ist Pflichtvorsorge zu veranlassen, andernfalls kommt Wunschvorsorge in Betracht.
4.2 Arbeitsverfahren/Arbeitsbereiche, bei denen eine Belastung mit extremer Hitze vorliegt
Insbesondere bei nachfolgend genannten Tätigkeiten liegt nach arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Erfahrungen eine extreme Hitzebelastung vor, die zu einer besonderen Gefährdung führen kann:
- Arbeiten an vorgewärmten Pfannen (zum Beispiel Pfannenplatz, Pfannenkippstuhl) im Stahlwerk;
- Flämmen von warmen Brammen (thermisches Entfernen von Oberflächenverunreinigungen);
- Schweißarbeiten in und an größeren (Gewicht > 0,5 t) vorgewärmten (> 80 °C) Werkstücken;
- Befahren oder Besteigen von sowie Arbeiten in Behältern, Kesseln, Industrieöfen, Trocknungsanlagen, Reaktoren, die noch nicht vollständig abgekühlt sind, auch unter dem Aspekt einer erschwerten Rettungsmöglichkeit;
- Arbeiten auf der Ofendecke von zum Beispiel Kraftwerken und Kokereien und Auswechseln von Steigrohren und Reparaturarbeiten an Koksofenbatterien;
- Arbeiten mit glühenden größeren Werkstücken (zum Beispiel Schmiede) > 100 kg;
- Heißreparaturen an Thermoprozessanlagen (zum Beispiel Glaswannen, Kühlöfen, Biegeöfen, Keramiköfen) in der Glas- oder Keramikbranche;
- Wartung- und Instandhaltungsarbeiten in der Glasindustrie zum Beispiel am Einleger, Zwischenbühne, Tropfenverteiler, Feeder oder Fertigform, die noch nicht vollständig abgekühlt sind;
- Wartung- und Instandhaltungsarbeiten in der Keramikindustrie zum Beispiel in Trockenkammern, auf Tunnelöfen in der Brennerzone, die noch nicht vollständig abgekühlt sind;
- Feuerwehrtätigkeiten, bei denen es zum Einsatz am Brandherd kommen kann.
4.3 Arbeitsverfahren/-bereiche, bei denen keine Belastung mit extremer Hitze vorliegt
Tätigkeiten, bei denen keine extreme Hitzebelastung im Sinne dieser AMR vorliegt, sind:
- Tätigkeiten mit allein jahreszeitlich bedingt hoher äußerer Wärmebelastung wie beispielsweise an Büroarbeitsplätzen;
- Tätigkeiten mit kurzfristig (im Minutenbereich) hoher Wärmebelastung wie beispielsweise bei einem Saunaaufguss, Kontrollgängen, Probenahmen.
4.4 Kriterien zur Beurteilung weiterer Tätigkeiten
Abgesehen von den in Abschnitt 4.2 aufgeführten Tätigkeiten gibt es weitere Tätigkeiten mit extremer Hitzebelastung, die zu einer besonderen Gefährdung führen können. Um diese zu ermitteln, ist zu prüfen, ob mindestens einer der folgenden Parameter vorliegt:
- Lufttemperatur über 45 °C und Beschäftigungsdauer > 15 Min.;
- Lufttemperatur über 30 °C mindestens vier Stunden pro Schicht und gleichzeitig hohe Luftfeuchte (gekennzeichnet beispielsweise durch feuchte oder nasse Haut);
- Flüssigkeitsaufnahme über vier Liter pro Schicht;
- Wärmestrahlung auf unbedeckter Haut unerträglich.