Mithilfe des in 4.1 beschriebenen Vorgehens sollen die betrieblich Verantwortlichen in die Lage versetzt werden, praxisnah die Gefährdungsbeurteilung hinsichtlich wesentlich erhöhter körperlicher Belastungen, die mit Gesundheitsgefährdungen für das Muskel-Skelett-System verbunden sind, durchzuführen. Wegen der Komplexität der zu berücksichtigenden Einflussfaktoren soll sich der Arbeitgeber von dem oder der mit den Arbeitsplatzverhältnissen vertrauten Arzt oder Ärztin nach § 7 ArbMedVV (Betriebsärztin oder Betriebsarzt) beraten lassen.
(1) Der Arbeitgeber hat im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung für die oben beschriebenen Belastungsarten mit einem Beurteilungsverfahren, dem das vierstufige Risikokonzept dieser AMR (siehe Abschnitt 2.1 und Anhang) zugrunde liegt, zu prüfen, ob Beschäftigte Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen ausüben. Erster Schritt kann ein Grobscreening sein, das auf Grundlage der in der AMR formulierten Belastungsarten und des Risikokonzepts basiert. Hierzu eignen sich das Grobscreeningverfahren "Basis-Check und Einstiegsscreening bei körperlichen Belastungen" [11] oder gleichwertige Verfahren, die wesentlich erhöhte oder hohe Belastungen erkennen lassen (zum Beispiel [16]).
(2) Die Beurteilung bezieht sich auf eine Arbeitsschicht unter Berücksichtigung von möglichen Spitzenwerten für jede der in Abschnitt 2.2 genannten Belastungsarten.
(3) Liegt nach fachkundiger Beratung oder nach Durchführung eines Grobscreenings keine wesentlich erhöhte oder hohe Belastung vor, können im Einzelfall körperliche Überbeanspruchungen nicht ausgeschlossen werden. Beschäftigten muss eine Wunschvorsorge ermöglicht werden. Über die Möglichkeit der Wunschvorsorge nach § 5 ArbMedVV muss z. B. im Rahmen der Unterweisung informiert werden. Dabei ist die Arbeitsmedizinische Empfehlung Wunschvorsorge [1] zu berücksichtigen.
(4) Liegt nach Durchführung eines Grobscreenings eine erhöhte Belastung vor (Risikobereiche 2–4), ist mit Hilfe eines speziellen Screenings ([5] bis [9], sowie [10], sofern beim Tragen von Lasten Körperfortbewegung zu berücksichtigen ist, siehe Abschnitt 2.2.1 Absatz 5) zu prüfen, ob eine wesentlich erhöhte (Risikobereich 3) oder eine hohe Belastung (Risikobereich 4) vorliegt (siehe Abschnitt 4.2). Bei sehr komplexen Belastungssituationen, wie zum Beispiel der Kombination mehrerer körperlicher Belastungsarten sind hierzu Expertenscreeningverfahren (Megaphysverfahren [15]), betriebliche Messungen [21] oder Labormessungen [15] einzusetzen.
(5) Liegt nach Durchführung von speziellem Screening, Expertenscreeningverfahren, betrieblichen Messungen oder Labormessungen nur eine mäßig erhöhte Belastung (Risikobereich 2), jedoch keine wesentlich erhöhte oder hohe Belastung vor (Risikobereich 3 und 4), sind im Einzelfall körperliche Überbeanspruchungen möglich. Beschäftigten muss eine Wunschvorsorge ermöglicht werden (siehe 4.1 (3)). Ggf. sind im Einzelfall Maßnahmen zur Gestaltung der Arbeit sowie sonstige ergänzende Präventionsmaßnahmen wie beispielsweise Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung zu prüfen.
(6) Liegt eine wesentlich erhöhte oder hohe Belastung vor (Risikobereich 3 oder 4), sind vorrangig Maßnahmen zur Gestaltung der Arbeit zu prüfen (Risikobereich 3) bzw. erforderlich (Risikobereich 4) und den Beschäftigten ist arbeitsmedizinische Vorsorge anzubieten (siehe Anhang). Darüber hinaus können sonstige ergänzende Präventionsmaßnahmen wie beispielsweise Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung geprüft werden.
(1) Tätigkeiten mit wesentlich erhöhten körperlichen Belastungen im Sinne dieser AMR liegen dann vor, wenn der Risikobereich 3 oder 4 ermittelt wird. Auf der Ebene des speziellen Screenings bedeutet das zum Beispiel für die belastungsartspezifischen Leitmerkmalmethoden, dass ein Punktwert des Risikobereichs 3 erreicht oder überschritten wird (siehe [5] bis [9], sowie [10], sofern beim Tragen von Lasten Körperfortbewegung zu berücksichtigen ist, siehe Abschnitt 2.2.1 Absatz 5).
(2) Erhält der Arbeitgeber Kenntnis von einer Erkrankung des Muskel-Skelett-Systems, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit stehen kann, hat der Arbeitgeber dem/der Beschäftigten und Beschäftigten mit vergleichbaren Tätigkeiten unabhängig von den Beurteilungskriterien nach § 5 Absatz 2 ArbMedVV arbeitsmedizinische Vorsorge anzubieten.