(1) Die Anamnese (allgemeine Anamnese, Familienanamnese, Beschwerdeanamnese, vegetative Anamnese, Arbeitsanamnese) bezieht sich im ersten Schritt auf den Anlass oder die Anlässe der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Es geht dabei um Angaben der Beschäftigten zu spezifischen Beschwerden bzw. klinischen Symptomen unter Berücksichtigung der bekannten Gefährdungen am aktuellen Arbeitsplatz. Die Aussagen des Beschäftigten sollen durch gezielte ärztliche Nachfragen vertieft und erweitert werden, um gesundheitliche Beschwerden hinsichtlich möglicher auslösender Faktoren besser einschätzen zu können.
(2) Ein ganzheitliches Vorgehen erfordert, dass in der Erhebung der Anamnese, insbesondere der Arbeitsanamnese, nicht allein anlassbezogene Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Das betrifft nicht nur gesundheitliche Probleme, sondern auch Nachfragen zu vom Vorsorgeanlass unabhängigen Expositionen oder Anforderungen an aktuellen oder früheren Arbeitsplätzen.
(3) Von besonderer Bedeutung für die Arbeitsanamnese sind:
– | die Schul- und Berufsausbildung, |
– | aktuell und früher ausgeübte Tätigkeiten einschließlich Arbeitsbedingungen, die Auswirkungen auf die Gesundheit haben sowie besondere Expositionen, insbesondere Nacht- und Schichtarbeit, |
– | aktuelle und frühere gesundheitliche Beschwerden mit Bezug zur Arbeitssituation, |
– | Erkrankungen mit Bezug zur aktuellen oder früheren Tätigkeit, |
– | Beschwerden, die mit Blick auf aktuelle oder frühere Tätigkeiten Ausdruck einer arbeitsbedingten Erkrankung sein könnten, |
– | die Sicht der oder des Beschäftigten auf die aktuellen Arbeitsbedingungen und Arbeitsanforderungen in Bezug auf seine beziehungsweise ihre Gesundheit. |
(4) Arbeitsmedizinische Vorsorge dient der Beurteilung der individuellen Wechselwirkungen von Arbeit und physischer und psychischer Gesundheit und der Früherkennung arbeitsbedingter Gesundheitsstörungen sowie der Feststellung, ob bei Ausübung einer bestimmten Tätigkeit eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung besteht (§ 2 Absatz 1 Nummer 8 2 ArbMedVV). Anamnesefragen sollten deshalb bei allen Vorsorgeanlässen neben Aspekten der physischen Gesundheit auch wesentliche Gesichtspunkte der psychischen Gesundheit umfassen, insbesondere mit Bezug zur Arbeitssituation der Beschäftigten und zur individuellen Bewältigung von Arbeitsanforderungen.
(5) Die Beschäftigungsfähigkeit kann auch durch arbeitsunabhängige chronische Erkrankungen beeinträchtigt werden. Deshalb sollen von dem Arzt oder der Ärztin auch Anamnesefragen zur allgemeinen Gesundheit gestellt werden. Individuelle Anamnesefragen und Untersuchungen unter Berücksichtigung der Arbeitsbedingungen sind für den Arzt oder die Ärztin die Grundlage für eine arbeitsmedizinische Beratung. Diese trägt zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit bei.
(6) Die Anamnesefragen sollen so verfasst und gestellt werden, dass sie gut ausgewertet und dokumentiert werden können (AME Auswertung).
(7) Um Hinweise auf Fehlbeanspruchungen bzw. Hinweise auf arbeitsbedingte Erkrankungen frühzeitig zu erkennen, ist eine Diagnostik mit geeigneten Methoden zu empfehlen. Dies gilt insbesondere für Umstände, bei denen arbeitsbedingte Erkrankungen zu erwarten sind oder bei erhöhten Arbeitsanforderungen besonders häufig zur Einschränkung der Beschäftigungsfähigkeit führen.
(8) Die ärztliche Auswahl der Untersuchungsmethoden orientiert sich an
– | der individuellen gesundheitlichen Situation der oder des Beschäftigten, |
– | den in der ArbMedVV genannten präventiven Zielen, |
– | dem Stand arbeitsmedizinischer Erkenntnisse, |
– | der Aussagekraft der verfügbaren diagnostischen Methoden, |
– | dem Vorsorgeanlass und den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung, |
– | betriebsärztlichen Erkenntnissen aus Betriebsbegehungen und eigenen Auswertungen, |
– | Erkenntnissen zu Nutzen und Risiken einer Anwendung bestimmter diagnostischer Parameter, |
– | Erkenntnissen zur Exposition am Arbeitsplatz, insbesondere für die Indikationsstellung des Biomonitoring. |