4 Informationsermittlung

4.1. Allgemeines

(1) Der Arbeitgeber hat zunächst zu ermitteln, ob inkohärente optische Strahlung bei Tätigkeiten am Arbeitsplatz zu einer Exposition des Beschäftigten oder zu anderen indirekten Auswirkungen für den Beschäftigten führen kann.

(2) Inkohärente optische Strahlung kommt überall ("ubiquitär") vor. Daher sind Schwerpunkte der Strahlungsexposition sowohl bei Tätigkeiten im Freien gegenüber natürlicher optischer Strahlung, als auch bei Tätigkeiten mit inkohärenter optischer Strahlung zu finden.

(3) Eine Gefährdung durch inkohärente optische Strahlung besteht bei einer Vielzahl von Arbeitsverfahren/-bereichen, Arbeitsmitteln oder beruflichen Tätigkeiten. Eine beispielhafte Aufzählung und Erläuterung findet sich in Abschnitt 5 der TROS IOS, Teil "Allgemeines".

4.2. Informationsquellen für die Gefährdungsbeurteilung

(1) Sind am Arbeitsplatz Quellen inkohärenter optischer Strahlung vorhanden, bei denen eine Gefährdung durch inkohärente optische Strahlung nicht ausgeschlossen werden kann, dann sind diese aufzulisten. Für Expositionen durch diese Quellen ist die Gefährdungsbeurteilung in den folgenden Schritten weiterzuführen.

(2) Es ist zu prüfen, welche Informationen über die vorhandenen Strahlungsquellen und Expositionssituationen vorliegen. Daraus können gegebenenfalls zu erwartende Strahlungsexpositionen abgeschätzt und Schlüsse auf mögliche Gefährdungen gezogen werden. Liefern verfügbare Produktinformationen (Bedienungsanleitung) der Strahlungsquellen umfassende Informationen zu den möglichen Expositionssituationen mit notwendigen Schutzmaßnahmen, so sind diese für die Gefährdungsbeurteilung besonders zu berücksichtigen.

(3) Reichen die vorliegenden Informationen nach Absatz 2 nicht aus, so benötigt der Arbeitgeber zur Ermittlung der möglichen Exposition folgende Information:

  1. Den Abstand der Beschäftigten zu den Strahlungsquellen (vor Ort zu ermitteln),
  2. die Aufenthaltsdauer der Beschäftigten in der Nähe der Quellen (vor Ort zu ermitteln),
  3. die Bewegungen von Beschäftigten oder von Strahlungsquellen (vor Ort zu ermitteln),
  4. die Strahlungsemissionen der vorhandenen Strahlungsquellen.

Detaillierte Informationen über die Strahlungsemissionen der vorhandenen Strahlungsquellen muss sich der Arbeitgeber in der Regel beschaffen (siehe Abschnitt 4.2.1).

4.2.1 Abschätzung der möglichen Exposition aus Emissionsdaten der Quelle(n)

Der Arbeitgeber beschafft sich nach § 3 Absatz 1 OStrV die notwendigen Informationen, z. B. Angaben über die Höhe der Strahlungsemission (spektrale Verteilung, Bestrahlungsstärke in einem gegebenen Abstand, etc.) beim Wirtschaftsakteur nach § 2 Ziffer 29 ProdSG (Hersteller, Bevollmächtigter, Einführer oder Händler), der die verwendeten Arbeitsmittel auf dem Markt bereitgestellt hat, oder mit Hilfe anderer zugänglicher Informationsquellen (z. B. Internet). Mit Hilfe der Daten über die Expositionssituation kann man abschätzen, ob Expositionsgrenzwerte eingehalten oder überschritten werden.

4.2.2 Abschätzung der Exposition bei klassifizierten Strahlungsquellen

(1) Sind die am Arbeitsplatz eingesetzten Strahlungsquellen nach der Höhe ihrer Strahlungsemission klassifiziert, dann kann bei Kenntnis der zu erwartenden Expositionssituation (Abstand der Beschäftigten zu den Strahlungsquellen, Aufenthaltsdauer vor den Strahlungsquellen) häufig auch abgeschätzt werden, ob die relevanten Expositionsgrenzwerte eingehalten werden oder ob einzelne Expositionsgrenzwerte überschritten werden können. Eine Klassifizierung kann erfolgen für

  1. Maschinen nach DIN EN 12198 [1],
  2. Lampen und Lampensysteme* (einschließlich LED) nach DIN EN 62471 [4],
  3. nicht elektrisch betriebene Strahlungsquellen nach DIN EN 16237 [2].

(2) Fallen Maschinen in die Emissionskategorie 0 oder 1 nach DIN EN 12198 [1] oder sind nicht elektrisch betriebene Strahlungsquellen in die Emissionsklasse 0 oder 1 nach DIN EN 16237 [2] eingeordnet, ist davon auszugehen, dass bei der Anwendung dieser Quellen an Arbeitsplätzen die Grenzwerte nach Abschnitt 5 der TROS IOS, Teil 2 "Messungen und Berechnungen von Expositionen gegenüber inkohärenter optischer Strahlung" für Expositionen gegenüber inkohärenter optischer Strahlung innerhalb einer achtstündigen Arbeitsschicht nicht überschritten werden.

Die DIN EN 16237 [2] enthält eine noch weiter unterteilte Klassifizierung und lässt auch bei Expositionsdauern im Bereich zwischen fünf Minuten und acht Stunden und bei verschiedenen Abständen zu den Strahlungsquellen eine Abschätzung über die Einhaltung von Expositionsgrenzwerten zu.

Die DIN EN 62471 [4] wurde für die Klassifizierung von Lampen und Lampensystemen erarbeitet. Bei technischen Applikationen mit einer UV-A-Strahlungsquelle bedeutet die Einordnung in die Freie Gruppe nach DIN EN 62471 [4] aufgrund einer unterschiedlichen Zeitbasis zur OStrV nicht zwangsläufig, dass die Expositionsgrenzwerte der OStrV eingehalten werden. Dies hängt damit zusammen, dass sich die OStrV auf einen achtstündigen Arbeitstag bezieht, während die DIN EN 62471 [4] eine Zeit von 100 s zu Grunde legt.

Eine Hilfestellung zu dieser Thematik ist auch in den einschlägigen Produktstandards zu finden, z. B. DIN EN 60432 (Halogenglühlampen) [3].

4.2.3 Berechnung von optischen Strahlungsexpositionen

Es gibt Fälle, in denen man die durch optische Strahlungsquellen zu erwartenden Expositionen berechnen kann. Hierzu kann man z. B. das Rechenprogramm Catrayon [5] des französischen Arbeitsschutzinstituts INRS verwenden. Bei thermischen Strahlungsquellen kann man die Planck’sche Strahlungsformel benutzen, um Expositionen von Personen in der Nähe einer Strahlungsquelle zu berechnen. Beide Methoden werden im Abschnitt "Berechnung inkohärenter optischer Strahlungsexpositionen" der TROS IOS, Teil 2 "Messungen und Berechnungen von Expositionen gegenüber inkohärenter optischer Strahlung" näher beschrieben.

4.2.4 Abschätzung aus veröffentlichten Messergebnissen

(1) Es existieren zahlreiche Veröffentlichungen mit Ergebnissen von Messungen von Emissionen aus Strahlungsquellen und von Expositionen von Beschäftigten an Arbeitsplätzen. Auch diese Messergebnisse können im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung genutzt werden, sofern sie auf die zu beurteilende Arbeitsplatzsituation übertragbar sind. Beispiele für veröffentlichte Messergebnisse sind im Abschnitt Literaturhinweise zu finden.

(2) Den veröffentlichten Messergebnissen ist u. a. zu entnehmen, dass insbesondere beim Elektro- und Gasschweißen hohe UV-Strahlungsexpositionen auftreten können. Beim Schweißen ist ohne ausreichenden Schutz in jedem Fall mit einer Überschreitung von Expositionsgrenzwerten zu rechnen.

(3) Die Abschätzung oder Berechnung von zu erwartenden Expositionen kann hinsichtlich der Bewertung der Gefährdung folgende Ergebnisse haben:

  1. Es sind nur Expositionen zu erwarten, die sicher unterhalb der Expositionsgrenzwerte nach Abschnitt 5 der TROS IOS, Teil 2 "Messungen und Berechnungen von Expositionen gegenüber inkohärenter optischer Strahlung" liegen (siehe Abschnitt 6.2).
  2. Es ist mit hohen Expositionen zu rechnen, durch die Expositionsgrenzwerte überschritten werden (siehe Abschnitt 6.3).
  3. Es kann aus den vorhandenen Informationen nicht sicher abgeschätzt werden, ob die Expositionsgrenzwerte eingehalten oder überschritten werden (siehe Abschnitt 6.4).

Je nach Ergebnis ist der weitere Verlauf der Gefährdungsbeurteilung unterschiedlich.

4.3. Verfügbarkeit und Möglichkeit des Einsatzes alternativer Arbeitsmittel und Ausrüstungen, die zu einer geringeren Gefährdung der Beschäftigten führen (Substitutionsprüfung)

(1) Sofern die Möglichkeit besteht, Arbeitsmittel einzusetzen, die keine Strahlungsquellen enthalten, deren Emissionen zu Grenzwertüberschreitungen bei den Beschäftigten führen können, sind diese bevorzugt auszuwählen und einzusetzen. Dabei ist zu beachten, welche Gefährdungen ggf. durch alternative Arbeitsmittel entstehen können. Zum Beispiel können Desinfektionen nicht nur mit UV-Strahlung, sondern auch mit Hilfe chemischer Stoffe durchgeführt werden. Es ist dann im Einzelfall abzuwägen, welche Gefährdungen größer sind und welche Maßnahmen zur Reduzierung dieser Gefährdungen jeweils zur Verfügung stehen.

(2) Ein Beispiel für eine Substitution ist der Einsatz von sichtbarer Strahlung anstelle von UV-Strahlung bei der Rissprüfung. Dabei muss abgewogen werden, welche Gefährdung von den jeweils eingesetzten Strahlungsquellen durch UV-Strahlung bzw. durch Blaulicht ausgeht.

(3) Das Ergebnis der Substitutionsprüfung ist in der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung festzuhalten.

4.4. Erkenntnisse aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge

(1) Bei der Gefährdungsbeurteilung sind die Erkenntnisse aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge sowie allgemein zugängliche, veröffentlichte Informationen hierzu (z. B. Hilfestellungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) oder der gesetzlichen Unfallversicherungsträger) zu berücksichtigen.

(2) Über die Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Vorsorge im eigenen Betrieb hinaus sollen auch andere Veröffentlichungen über gesicherte Erkenntnisse aus arbeitsmedizinischen Untersuchungen und aus der Forschung Berücksichtigung finden. Dazu gehören unter anderem Statistiken der Unfallversicherungsträger über arbeitsbedingte Erkrankungen und Berufskrankheiten, der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) und Beispiele guter Praxis (z. B. Publikationen in Fachzeitschriften).

 
* Der Anwendungsbereich der DIN EN 62471 umfasst außer Lampen und Lampensystemen auch alle anderen elektrisch betriebenen optischen Strahlungsquellen außer Maschinen.