Arbeiten in Rohrleitungen und Schächten dürfen erst begonnen werden, nachdem die verantwortliche Person (Unternehmer/Unternehmerin bzw. Aufsichtsführende/Aufsichtsführender) festgestellt hat, dass die schriftlich festgelegten Schutzmaßnahmen geeignet und getroffen sowie alle Beteiligten unterwiesen sind. Während der Arbeiten in Rohrleitungen muss der oder die Aufsichtführende ständig im Bereich der Arbeitsstelle anwesend sein.
Auch nach Arbeitsunterbrechungen (Schichtwechsel, Wiederaufnahme der Arbeit am folgenden Tag) ist die Eignung und Wirksamkeit der schriftlich festgelegten Maßnahmen durch die aufsichtführende Person festzustellen.
Abschnitt 4.2.7 der DGUV Regel 113-004 "Behälter, Silos und enge Räume; Teil 1: Arbeiten in Behältern, Silos und engen Räumen". |
Die Aufsichtführenden dürfen die Schutzmaßnahmen erst aufheben, wenn die Arbeiten in Rohrleitungen und Schächten abgeschlossen sind und alle Personen die Rohrleitungen und Schächte verlassen haben.
Der Unternehmer bzw. die Unternehmerin hat bei Arbeiten in Rohrleitungen und Schächten mindestens einen Sicherungsposten einzusetzen. Dieser hat mit den in der Rohrleitung oder dem Schacht tätigen Versicherten ständige Verbindung zu halten.
Die Unternehmerin bzw. der Unternehmer muss einen geeigneten Sicherungsposten einsetzen.
Ständige Verbindung besteht in der Regel bei einer Sichtverbindung. Ist Sichtverbindung nicht möglich, kann eine ständige Verbindung auch über andere Mittel, z. B. Sprechverbindung oder Signalleinen, aufrechterhalten werden.
Der Sicherungsposten muss jederzeit Hilfe herbeiholen können. Er ist über die festgelegten Rettungsmaßnahmen nach Abschnitt 5.8 zu unterweisen. Es wird empfohlen zu Beginn der Baumaßnahme eine Rettungsübung durchzuführen.
Vor Beginn der Arbeiten hat der Unternehmer bzw. die Unternehmerin in Betriebsanweisungen Maßnahmen festzulegen, die ein sicheres Arbeiten gewährleisten. Betriebsanweisungen werden erstellt, wenn Gefährdungen z. B. durch Arbeitsmittel oder Gefahrstoffe auftreten können. Für besondere Einzelfälle hat der Unternehmer bzw. die Unternehmerin vom Auftraggeber bzw. von der Auftraggeberin einen Erlaubnisschein einzuholen.
Erlaubnisscheine werden in der Regel erstellt, wenn besondere Gefährdungen, z. B.
Der Aufenthalt, z. B. Einfahren und Arbeiten, in Rohrleitungen und Schächten, insbesondere in solchen mit kleinen Querschnittsabmessungen, stellt eine hohe physische und psychische Belastung für das Personal dar.
Zu geringe Querschnittsabmessungen können das Retten von Personen erheblich erschweren.
Aus diesem Grund dürfen sich Personen in Rohrleitungen und Schächten nur aufhalten, wenn die in den Abschnitten 5.2.2 bis 5.2.4 genannten Mindestlichtmaße eingehalten sind.
Der Unternehmer bzw. die Unternehmerin darf in Rohrleitungen mit einem Lichtmaß von weniger als 600 mm Versicherte nicht einsetzen.
Versicherte dürfen in Rohrleitungen mit einem Lichtmaß ab 600 mm eingesetzt werden; dabei gelten für Rohrleitungen mit einem Lichtmaß von 600 mm bis 800 mm folgende Einschränkungen:
Abweichend hiervon dürfen in Leitungen der öffentlichen Wasserversorgung Versicherte mit Rollenwagen ohne Seilführung einfahren, wenn
Die Lichtmaße von 600 mm bzw. 800 mm werden bei folgenden Profilabmessungen erreicht (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1 Die angegebenen Profilmaße sind Innenmaße.
Lichtmaß | 600 mm | 800 mm |
Kreisprofil | Durchmesser = 600 mm | 800 mm |
Rechteckprofil | Breite/Höhe = 600/600 mm | 600/800 mm |
Eiprofil | Breite/Höhe = 600/900 mm | 800/1200 mm |
Maulprofil | lichte Höhe = 600 mm | 800 mm |
Abb. 11 Bestimmung des lichten Durchmessers di (Lichtmaß)
Bei der Bestimmung des lichten Durchmessers di (Lichtmaß) sind im Rohr befindliche Einbauteile, Versorgungsleitungen oder Ähnliches zu berücksichtigen.
Kann das Eindringen von Flüssigkeiten oder anderen Medien in den betreffenden Rohrleitungsabschnitten nicht verhindert werden, empfiehlt es sich, die Mindestlichtmaße nach Abschnitt 5.2.2 zu erhöhen.
Abwassertechnische Anlagen, die mit dem Entwässerungssystem verbunden sind oder bereits waren dürfen nur begangen werden, wenn deren lichte Höhe mindestens 1 m beträgt. Dies gilt nicht, wenn für abwassertechnische Anlagen mit einer lichten Höhe ≥ 0,8 m aus betriebstechnischen Gründen Arbeiten notwendig sind und besondere Schutzmaßnahmen getroffen werden.
Betriebstechnische Gründe können z. B. Instandsetzungsarbeiten oder Beseitigen von Störungen sein. Besondere Schutzmaßnahmen sind z. B.
Schächte in abwassertechnischen Anlagen dürfen nur begangen werden bzw. in diesen darf nur gearbeitet werden, wenn deren lichte Weite mindestens 1 m beträgt. Abweichend hiervon darf auch in Schächten ab 0,8 m lichte Weite eingestiegen werden und gearbeitet werden, wenn zuvor geprüft worden ist, ob besondere Schutzmaßnahmen – z. B. zusätzliche Belüftung, ständige Seilführung – erforderlich sind.
Einstiegsöffnungen für Schächte in abwassertechnischen Anlagen in denen Arbeiten durchzuführen sind, müssen so groß und so angeordnet sein, dass das Ein- und Aussteigen und Retten von Personen jederzeit möglich sind. Dies ist z. B. gegeben, wenn die lichte Weite von Einstiegsöffnungen mindestens 0,8 m beträgt. Abweichend davon müssen Einstiegsöffnungen, die in Verkehrswegen von Fahrzeugen liegen, mindestens eine lichte Weite von 0,6 m haben. Die Rettungsmaßnahmen sind hierbei entsprechend anzupassen.
Siehe auch DGUV Regel 103-003 bzw. 103-004 "Arbeiten in umschlossenen Räumen von abwassertechnischen Anlagen". |
Besteht beim Arbeiten an oder in Schächten Absturzgefahr, z. B. bei geöffneten Schächten, beim Begehen von Steiggängen oder nicht fest angebrachten Leitern und Tritten, hat der Unternehmer bzw. die Unternehmerin geeignete Maßnahmen zum Schutz gegen Absturz zu treffen.
Abb. 12 Absturzsicherung an einem geöffneten Schacht
Bei der Benutzung von Steigleitern und Steigeisengängen mit mehr als 5 m Absturzhöhe müssen Schutzausrüstungen gegen Absturz benutzt werden, z. B. Höhensicherungsgerät.
Auf Grund der besonderen Gefahren beim Einstieg in Schächte können Schutzmaßnahmen gegen Absturz bereits bei geringen Höhen erforderlich sein, z. B. bei losen, korrodierten oder verunreinigten Steigeisen bzw. Steigleitern.
Siehe auch DGUV Regel 103-007 bzw. 103-008 "Steiggänge für Behälter und umschlossene Räume". |
Sind aufgrund der örtlichen bzw. räumlichen Verhältnisse technische Maßnahmen nicht möglich, sind persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz zu benutzen. Die erforderlichen Anschlagpunkte und die zu verwendenden persönlichen Schutzausrüstungen sind durch den fachlich geeigneten Vorgesetzten festzulegen. Für die Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz hat der Unternehmer bzw. die Unternehmerin eine Betriebsanweisung zu erstellen. Die Inhalte der Betriebsanweisung sind den Versicherten im Rahmen von Unterweisungen mit praktischen Übungen zu vermitteln.
Siehe auch DGUV Regel 112-198 "Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz". |
Schachtöffnungen müssen gegen die Gefahr des Hineinstürzens gesichert sein (Abbildung 13). Auf diese Sicherung kann nur verzichtet werden, wenn die Arbeitsumstände dies erfordern. Abdeckungen von Schachtöffnungen müssen unverschieblich sein.
Siehe auch § 10 der DGUV Vorschrift 38 "Bauarbeiten". |
Abb. 13 Durch Abdeckroste gesicherte Schachtöffnung
In Kanälen und Rohrleitungen können durch Abwässer, unzulässigerweise eingeleitete Bestandteile und biologische Prozesse folgende Gefährdungen entstehen (siehe auch Abschnitte 3.4 und 3.5):
Vor Beginn und während der Arbeiten in Rohrleitungen und Schächten muss sichergestellt werden, dass Versicherte nicht durch
gefährdet werden.
Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist festzustellen, welche Stoffe in welcher Konzentration in der Rohrleitung oder dem Schacht vorhanden sind oder im Verlauf der Arbeiten auftreten können. Grundsätzlich ist eine Freimessung erforderlich. Durch Freimessen werden die Gefahrstoff- und Sauerstoffkonzentrationen vor und während der Arbeiten ermittelt. Die Messungen haben an repräsentativer Stelle (z. B. im Bereich der Rohrsohle bei Beachtung der Strömungsrichtung), von einer gesicherten Position aus, zu erfolgen. Während der Arbeiten ist im Bereich der Arbeitsstelle eine kontinuierliche Überwachung der Atmosphäre notwendig.
Zum Freimessen sind geeignete Messverfahren zu benutzen.
Geeignete Messverfahren sind z. B.
Bei der Auswahl der Messverfahren sind die speziellen Eigenschaften der zu messenden Stoffe zu berücksichtigen, z. B. Querempfindlichkeiten gegenüber anderen Stoffen.
Ist die Sauerstoffkonzentration niedriger als der natürliche Sauerstoffgehalt der Atemluft von 20,9 %, ist die Ursache dafür zu ermitteln und zu beurteilen, ob eine Gefährdung durch Fremdgase vorliegt. Nach der Identifizierung der bisher unbekannten Stoffe und Ermittlung der Konzentration dieser Stoffe muss eine neue Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden.
Der Unternehmer bzw. die Unternehmerin darf mit dem Freimessen (Abbildung 14) nur Mitarbeitende beauftragen, die über die erforderliche Fachkunde verfügen.
Die Fachkunde bezieht sich auf
Abb. 14 Überprüfen der Schachtatmosphäre
Geräte mit Verbrennungsmotoren dürfen in Rohrleitungen und Schächten nicht eingesetzt werden.
Ist gefährliche Atmosphäre vorhanden oder kann sie während der Arbeiten entstehen, ist ausreichend zu lüften. Lüftung ist natürlich oder technisch möglich.
Eine technische Lüftung ist eine Frischluftzufuhr zur Arbeitsstelle hin mit ausreichend leistungsfähigen Belüftungseinrichtungen.
Technische Lüftung als Grundlüftung kann als ausreichend angesehen werden, wenn z. B.
Die Grundlüftung gewährleistet keine Einhaltung der Arbeitsplatzgrenzwerte bei Tätigkeiten mit Gefahrstofffreisetzung. Hier sind in Abhängigkeit von der Höhe der Gefahrstofffreisetzung Zusatzmaßnahmen, wie z. B. staubarme/emissionsarme Verfahren, Absaugung an der Entstehungsstelle, Tragen von Atemschutz, zu treffen (siehe Abschnitt 3.4.1.1).
Bei Verwendung von Ventilatoren mit Rohr-/ Schlauchleitungen zur Zuluftführung ist eine Berechnung der Druckverluste durch die Leitungen und Umlenkungen erforderlich. Liegt eine solche nicht vor, darf maximal 50 % des Nennvolumenstromes des Ventilators als Zuluftmenge angesetzt werden, sofern die Länge der Rohr-/Schlauchleitung nicht mehr als 10 m beträgt und der Durchmesser der Rohr-/Schlauchleitung dem Durchmesser des Ausblasstutzens des Ventilators entspricht. Diese Verfahrensweise ersetzt nicht die Anforderung nach Abschnitt 5.4.3.4.
Das Öffnen von Schachtabdeckungen vor und hinter dem Einstiegschacht über eine bestimmte Zeitdauer kann nicht immer eine ausreichende Lüftung sicherstellen, insbesondere in der warmen Jahreszeit, wenn die Schachtatmosphäre kühler als die Umgebungsatmosphäre ist.
Zum Belüften ist die Verwendung von reinem Sauerstoff oder mit Sauerstoff angereicherter Luft nicht zulässig.
Beim Absaugen besteht die Gefahr der verstärkten Führung gesundheitsschädlicher oder explosionsfähiger Gase und Dämpfe zur Arbeitsstelle hin. Wenn abgesaugt wird, dürfen nur explosionsgeschützte Absauggeräte verwendet werden.
Zur Feststellung, ob die Lüftung ausreichend ist, können wiederholte Einzelmessungen oder kontinuierliche Messungen mit akustischer und optischer Signalangabe, gegebenenfalls an unterschiedlichen Stellen, erforderlich sein.
Ist eine ausreichende Lüftung nicht möglich, müssen die Arbeiten in Rohrleitungen und Schächten mit einem Umgebungsluft unabhängigem Atemschutzgerät unter Beachtung des Explosionsschutzes durchgeführt werden.
Bei Bau- und Instandhaltungsarbeiten an und in abwassertechnischen Anlagen ist mit einer Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe zu rechnen. Beispiele für Tätigkeiten mit einer möglichen Exposition gegenüber biologischen Arbeitsstoffen ist die Herstellung der Verbindung an eine bestehende Abwasserleitung und Arbeiten mit Hochdruckreinigern.
Zur Reduzierung der Gesundheitsgefährdungen durch biologische Arbeitsstoffe sind unter anderem folgende Schutzmaßnahmen anzuwenden:
Siehe auch Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe, "Grundlegende Maßnahmen bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen" (TRBA 500), "Sicherheit und Gesundheit bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in abwassertechnischen Anlagen" (TRBA 220). |
Vor Beginn der Arbeiten sind Schutzmaßnahmen zu treffen, die Gefährdungen durch eine Wasserzuführung in gefährlicher Menge vermeiden.
Geeignete Schutzmaßnahmen sind z. B.:
Siehe auch DGUV Regel 103-003 bzw. 103-004 "Arbeiten in umschlossenen Räumen von abwassertechnischen Anlagen" und DGUV Information 201-022 "Handlungsanleitung für die Arbeit mit provisorischen Rohrabsperrgeräten". |
Bei Verkehrswegen in Rohrleitungen ist eine allgemeine Beleuchtung von 20 lx bei Arbeitsstellen von längerer Dauer vorzusehen. Für die direkte Arbeitsstelle ist für normale Tätigkeiten eine Beleuchtungsstärke von 100 lx vorzusehen. Weitere Hinweise liefert die für Baustellen erarbeitete Tabelle 2 der ASR A3.4 Beleuchtung.
Als Notbeleuchtung muss jeder in Rohrleitungen beschäftigte Versicherte eine elektrische Handleuchte mit sich führen. Die Verwendung von offenem Licht ist verboten.
Zur Rettung aus Rohrleitungen und Schächten hat der Unternehmer bzw. die Unternehmerin dafür zu sorgen, dass die geeignete Ausrüstung in der Nähe der Einstiegsstelle bereitgehalten wird. Im Notfall müssen die Versicherten die Rettungsmaßnahmen selbst einleiten können. Alternativ dazu können auch Vereinbarungen mit externen Rettungskräften (z. B. Feuerwehr) getroffen werden.
Eine geeignete Rettungsausrüstung kann z. B. bestehen aus:
Abb. 15 Dreibein mit Rettungshubgerät und Auffanggurt
Zur Rettung dürfen Versicherte nur dann in Rohrleitungen und Schächte ohne umgebungsluftunabhängigen Atemschutz (Isoliergerät) einsteigen, wenn sichergestellt ist, dass keine gefährlichen Gefahrstoffkonzentrationen oder Sauerstoffmangel vorliegen. Dieser Nachweis muss durch eine Freimessung erfolgen.
Zur Rettung muss der Rettungsgurt/Auffanggurt bereits vor dem Einstieg angelegt werden und es muss eine dauernde Verbindung zum Rettungshubgerät bestehen. Sollten dringende Gründe dagegensprechen, sind andere Maßnahmen einzuplanen, die ein schnelles Retten ermöglichen.
Bei Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen zum Retten gilt die DGUV Regel 112-199 "Retten aus Höhen und Tiefen mit persönlichen Absturzschutzausrüstungen". |
Die Versicherten sind über die Benutzung der persönlichen Schutzausrüstungen zum Retten zu unterweisen.
Die festgelegten Rettungsmaßnahmen sind regelmäßig, mindestens jedoch einmal jährlich, zu üben, insbesondere die Benutzung von Anschlageinrichtungen, Rettungsgurt, Rettungshubgerät und von Atemschutzgeräten. Eine Rettung ist sehr schwierig und kann im Ernstfall nur dann erfolgreich sein, wenn die Abläufe sicher beherrscht werden. Es empfiehlt sich die zuständigen Rettungskräfte, z. B Feuerwehr, THW, mit einzubinden.
Siehe § 25 der DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention". |