7.5 Zusammenwirken Mensch – Arbeitsmittel (Software-Ergonomie)

Die Darstellung auf dem Bildschirm wird sowohl durch die Software als auch durch die Hardware beeinflusst. Grundvoraussetzung für eine gute Darstellung ist deshalb die Erfüllung der Anforderungen des Abschnittes 7.2.1, insbesondere in Verbindung mit der eingesetzten Software. Dabei kann die eingesetzte Software nur dann sinnvoll beurteilt werden, wenn die zu bearbeitenden Aufgaben klar umrissen sind und feststeht, welche Nutzer mit welchen Fähigkeiten damit arbeiten sollen. Dies wird durch den sogenannten Nutzungskontext beschrieben, der die Benutzer, die Aufgaben, die Arbeitsmittel (Hardware, Software und Materialien) sowie die physikalische und soziale Umgebung umfasst.

Anhang der Bildschirmarbeitsverordnung
20. Die Grundsätze der Ergonomie sind insbesondere auf die Verarbeitung von Informationen durch den Menschen anzuwenden.
21. Bei Entwicklung, Auswahl, Erwerb und Änderung von Software sowie bei der Gestaltung der Tätigkeit an Bildschirmgeräten hat der Arbeitgeber den folgenden Grundsätzen, insbesondere im Hinblick auf die Benutzerfreundlichkeit, Rechnung zu tragen.

Die Software muss gebrauchstauglich sein, das heißt sie sollte gewährleisten, dass Benutzer ihre Arbeitsaufgabe effektiv14, effizient15 und zufriedenstellend erledigen können.

Dies setzt voraus, dass die Grundsätze der Dialoggestaltung nach DIN EN ISO 9241-110, wie

beachtet und realisiert werden.

Bei der Darstellung von Informationen sollten die Erkenntnisse nach DIN EN ISO 9241-12 bezüglich

berücksichtigt werden.

Eine optimale Nutzung der Software wird noch nicht allein durch die Gebrauchstauglichkeit erreicht. Hinzu kommen muss die Bereitschaft des Nutzers, mit der Software die Aufgaben motiviert und in einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu bearbeiten. Dies ist nur in einem hochwertigen Nutzungskontext mit angemessenen ergonomischen Bedingungen sowie aktivierenden sozialen Beziehungen und Strukturen möglich.

Das bedeutet unter anderem, dass die Software die sozialen Beziehungen im Unternehmen nicht belasten darf – beispielsweise durch einen schnellen Wechsel der Versionen, der dazu führt, dass Beschäftigte mit unterschiedlichen nicht kompatiblen Versionen arbeiten. Dies kann zu Konflikten sowie Problemen in der Zusammenarbeit führen und das Betriebsklima belasten. Eine gebrauchstaugliche Software hat schließlich auch nur dann einen hohen Nutzen, wenn Führungskräfte und soziale Beziehungen im Unternehmen einen motivierten Umgang mit der Software fördern – zum Beispiel durch Beteiligung der Beschäftigten an der Gestaltung der Arbeitsprozesse, umfassende Informationen oder die Möglichkeiten, Verbesserungsprozesse einleiten zu können.

Erst wenn die Software optimal in einem solchen hochwertigen Nutzungskontext verwendet wird, kann von Nutzungsqualität gesprochen werden.

Auch die barrierefreie Gestaltung von Software im Sinne der Barrierefreien Informationstechnik-Verordnung – BITV 2.0 sollte berücksichtigt werden. Hier wird mithilfe von vier Prinzipien, zwölf Anforderungen und 61 Bedingungen barrierefreie Software spezifiziert. Durch Berücksichtigung der BITV 2.0 kann eine hohe Zugänglichkeit von Softwareprodukten für unterschiedlichste Nutzergruppen erreicht werden.

Anhang der Bildschirmarbeitsverordnung
21.1 Die Software muss an die auszuführende Aufgabe angepasst sein.

Diese Anforderung wird unter dem Begriff "Aufgabenangemessenheit" behandelt.

Aufgabenangemessenheit

Ein Dialog ist aufgabenangemessen, wenn er den Benutzer unterstützt, seine Arbeitsaufgabe effizient zu erledigen, das heißt ohne unnötige Beanspruchungen (Abbildung 49).

Aufgabenangemessenheit (Negativbeispiel)

Abbildung 49: Aufgabenangemessenheit (Negativbeispiel)

Auf der Basis der auszuführenden Tätigkeiten ist ein Anforderungsprofil an die Software zu erstellen. Sofern sich Arbeitsschritte aus der Eigenschaft des Systems ergeben, nicht jedoch aus den Aufgaben der Benutzer, sollen sie im Allgemeinen vom System selbst ausgeführt werden. Die Software soll keine Veränderung der Arbeitsabläufe erfordern, die im Gegensatz zur tätigkeitsbedingten zeitlichen Reihenfolge stehen. Dies schließt nicht aus, dass bei organisatorischen Änderungen die Arbeitsabläufe geprüft und gegebenenfalls verbessert werden.

Die verwendeten Begriffe und Symbole müssen den arbeitsspezifischen Regelungen entsprechen sowie widerspruchsfrei, eindeutig und möglichst abkürzungsfrei sein.

Dies gilt beispielsweise für Funktionsbeschreibungen, Bildschirmmasken, Hilfetexte, sonstige Darstellungen auf dem Bildschirm sowie Benutzerhandbücher.

Praktische Anforderungen:


Anhang der Bildschirmarbeitsverordnung
21.2 Die Systeme müssen den Benutzern Angaben über die jeweiligen Dialogabläufe unmittelbar oder auf Verlangen machen.

Diese Anforderung wird unter dem Begriff "Selbstbeschreibungsfähigkeit" behandelt (Abbildung 50).

Selbstbeschreibungsfähigkeit: Auswahlmöglichkeiten für die Schriftart. Die aktuell ausgewählte Schriftart wird durch ein Häkchen gekennzeichnet.

Abbildung 50: Selbstbeschreibungsfähigkeit: Auswahlmöglich-
keiten für die Schriftart. Die aktuell ausgewählte Schriftart
wird durch gekennzeichnet.

Selbstbeschreibungsfähigkeit

Ein Dialog ist selbstbeschreibungsfähig, wenn jeder einzelne Dialogschritt durch Rückmeldung des Dialogsystems unmittelbar verständlich ist oder dem Benutzer auf Anfrage erklärt wird. Nach jeder Handlung der Benutzer sollte das Dialogsystem eine Rückmeldung in aufgabenangemessener Form geben.

Um den Benutzern die Dialogschritte verständlich zu machen, sollten bei der Gestaltung von Rückmeldungen und Erläuterungen folgende Gesichtspunkte beachtet werden:


Anhang der Bildschirmarbeitsverordnung
21.3 Die Systeme müssen den Benutzern die Beeinflussung der jeweiligen Dialogabläufe ermöglichen sowie eventuelle Fehler bei der Handhabung beschreiben und deren Beseitigung mit begrenztem Arbeitsaufwand erlauben.

Diese Anforderungen werden unter den Begriffen "Steuerbarkeit" und "Fehlertoleranz" behandelt (Abbildungen 51 und 52).

Steuerbarkeit

Ein Dialog ist steuerbar, wenn der Benutzer in der Lage ist, den Dialogablauf zu starten sowie seine Richtung und Geschwindigkeit zu beeinflussen, bis das Ziel erreicht ist.

Steuerbarkeit: Rücknahme von Dialogschritten
Abbildung 51: Steuerbarkeit: Rücknahme von Dialogschritten

Ein Dialogsystem ist steuerbar, wenn es unter anderem

Die zur Realisierung der Steuerbarkeit zu treffenden Maßnahmen dürfen nicht die aufgabenbedingte Funktionserfüllung am Arbeitsplatz beeinträchtigen. Wenn die Realisierung dieser Anforderung anderweitige ergonomische Nachteile für den Benutzer nach sich zieht – zum Beispiel übermäßig verlängerte Antwortzeiten bei nicht ausreichender Systemleistung –, ist dem wichtigeren Kriterium der Vorzug zu geben. Jedoch müssen Systeme, die die Rücknahme von Dialogschritten teilweise erlauben, eine Warnung vor jedem nicht rücknehmbaren Schritt geben.

Fehlertoleranz

Ein Dialog ist fehlertolerant, wenn das beabsichtigte Arbeitsergebnis trotz erkennbar fehlerhafter Eingaben entweder mit keinem oder mit minimalem Korrekturaufwand durch den Benutzer erreicht werden kann (Abbildung 52).

Fehlertoleranz
Abbildung 52: Fehlertoleranz

Dialoge sind fehlertolerant, wenn unter anderem


Anhang der Bildschirmarbeitsverordnung
21.4 Die Software muss entsprechend den Kenntnissen und Erfahrungen der Benutzer im Hinblick auf die auszuführende Aufgabe angepasst werden können.

Diese Anforderung wird hauptsächlich unter den Begriffen "Erwartungskonformität" und "Individualisierbarkeit" behandelt (Abbildung 53).

Erwartungskonformität: WYSIWYG (What you see is what you get) – die Bildschirmanzeige entspricht dem Ausdruck

Abbildung 53: Erwartungskonformität: WYSIWYG (What you see is what you get) – die Bildschirmanzeige entspricht dem Ausdruck

Erwartungskonformität

Ein Dialog ist erwartungskonform, wenn er konsistent ist und den Merkmalen beziehungsweise den Belangen des Benutzers entspricht – zum Beispiel den Kenntnissen aus dem Arbeitsgebiet, der Ausbildung und der Erfahrung des Benutzers sowie den allgemein anerkannten Konventionen.

Dialoge sind erwartungskonform, wenn unter anderem

Die Einheitlichkeit des Dialogverhaltens bezieht sich insbesondere auf solche Eigenschaften von Dialogsystemen, die unabhängig von speziellen Anwendungen sind.

Individualisierbarkeit

Dialoge sind individualisierbar, wenn das Dialogsystem Anpassungen an die Erfordernisse der Aufgabe, individuelle Vorlieben des Benutzers und Benutzerfähigkeiten zulässt.

Dialoge sind individualisierbar, wenn unter anderem

Um den Benutzern eine Aufgabenerledigung mit vertretbarem Aufwand zu ermöglichen, ist es außerdem unerlässlich, sie beim Erlernen der eingesetzten Software zu unterstützen und ihnen übersichtliche und gut lesbare Bildschirminhalte (Masken) zur Verfügung zu stellen. Diese Anforderungen werden unter den Begriffen "Lernförderlichkeit", "Organisation der Information", "Grafische Objekte" und "Kodierverfahren" behandelt.

Lernförderlichkeit

Ein Dialog ist lernförderlich, wenn er den Benutzer beim Erlernen des Dialogsystems unterstützt und anleitet.

Dialoge sind lernförderlich, wenn unter anderem

Organisation der Information, grafische Objekte, Kodierverfahren

Eine einfache, schnelle und sichere visuelle Erfassung sowie gedankliche Verarbeitung wird unterstützt durch:

Durch sinnvolle Anwendung der aufgezeigten Kriterien wird eine Verbesserung der Lesbarkeit, Verständlichkeit, Widerspruchsfreiheit, Unterscheidbarkeit, Wahrnehmbarkeit, Prägnanz und Klarheit erreicht (Abbildung 54).

Anordnung und Kodierung: Maskengestaltung
Anordnung und Kodierung: Maskengestaltung

Abbildung 54: Anordnung und Kodierung: Maskengestaltung

Insgesamt ist jedoch auf einen sinnvollen Einsatz der dargestellten Werkzeuge zu achten. So sollten beispielsweise nicht mehr als die notwendigen Icons in einem Arbeitsbereich angeboten werden, die Farbgebung sollte auf maximal sechs Farben begrenzt sein und Effekte, wie Blinken oder Popups, sollten nur in speziellen Aufgabenstellungen möglichst sparsam eingesetzt werden.

Weitere Literatur
  • Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung – BITV 2.0
  • DGUV Information 215-450 "Software-Ergonomie" (bisher BGI 852 Teile 1-4)
  • VBG-Praxis-Kompakt "Software nutzerfreundlich einstellen und gestalten" (bisher VBG-Info-Map)
  • VBG-Praxis-Kompakt "Software nutzerfreundlich einstellen und gestalten"
  • DIN EN ISO 9241 Teile 11–17 "Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten"
    • Teil 11:"Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit"
    • Teil 12:"Informationsdarstellung"
    • Teil 13:"Benutzerführung"
    • Teil 14:"Dialogführung mittels Menüs"
    • Teil 15:"Dialogführung mittels Kommandosprache"
    • Teil 16:"Dialogführung mittels direkter Manipulation"
  • DIN EN ISO 9241-110 "Ergonomie der Mensch-System-Interaktion"
    • Teil 110: Grundsätze der Dialoggestaltung"
        • Teil 143"Formulardialoge"
        • Teil 171:"Leitlinien für die Zugänglichkeit von Software"


    14 Effektivität – die Genauigkeit und Vollständigkeit, mit der ein Benutzer sein Ziel erreicht
    15 Effizienz – das Verhältnis von Genauigkeit und Vollständigkeit zum Aufwand, mit der ein Benutzer ein bestimmtes Ziel erreicht