2 Maßnahmen zur Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit durch die Arbeitsschutzorganisation
2.1 Maßnahmen und Einrichtungen zur Errichtung von Schutznetzen (Sicherheitsnetzen)
Es gehört zu den Pflichten der Bauherrschaft über die bauseits bereits vorhandenen planerischen, technischen, baurechtlichen und organisatorisch vorgesehenen Vorgaben und vorgesehenen Maßnahmen zu informieren, damit die ausführenden Unternehmerinnen und Unternehmer die ihnen obliegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzpflichten erfüllen können.
Voraussetzungen können z. B. sein:
- Planum innerhalb und außerhalb der Gebäude für den Einsatz von Gerüsten, fahrbaren Arbeitsbühnen oder Hubarbeitsbühnen.
- Unverschiebliche und begehbare bzw. befahrbare Abdeckungen von Boden- oder Deckenöffnungen.
- Befestigungsmöglichkeiten für Seitenschutzbauteile an Absturzkanten.
- Befestigungsmöglichkeiten für Schutznetze (Sicherheitsnetze) oder Dachrandsicherungen.
- Anschlageinrichtungen und Anschlagmöglichkeiten für persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz (PSAgA), z. B. Sicherheitsdachhaken und Anschlageinrichtungen auf Flachdächern.
- Verankerungsmöglichkeiten für Gerüste.
Die Unternehmerin und der Unternehmer hat in Abhängigkeit von den ausgewählten Arbeitsverfahren die von der Bauherrschaft planerisch und organisatorisch vorgesehenen Vorgaben und Maßnahmen zu berücksichtigen.
Vorgesehene Maßnahmen und Vorgaben ergeben sich z. B. durch:
- Vorhandene Sicherheitseinrichtungen wie z. B. Anschlageinrichtungen
- Gefahrstoffe aus dem Objekt/Bauvorhaben
- nicht tragfähige Decken, Böden oder Dachflächen
- nicht außer Betrieb zu nehmenden Anlagen
- Auflagen auf Grund des Nachbarschaftsrechtes
- vorhandene Notausgänge und Fluchtwege

DGUV Regel 112-198 "Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz"
DGUV Regel 112-199 "Benutzung von persönlichen Absturzschutzausrüstungen zum Retten"
DGUV Information 201-011 "Verwendung von Arbeits-, Schutz- und Montagegerüsten"
DGUV Information 201-023 "Einsatz von Seitenschutz und Seitenschutzsystemen sowie Randsicherungen als Schutzmaßnahme bei Bauarbeiten"
DGUV Information 201-056 "Planungsgrundlagen von Anschlageinrichtungen auf Dächern"
DIN 4426 "Einrichtungen zur Instandhaltung baulicher Anlagen – Sicherheitstechnische Anforderungen an Arbeitsplätze und Verkehrswege – Planung und Ausführung"
Die Unternehmerin bzw. der Unternehmer hat vor und während der Ausführung der Errichtung und Gebrauch von Schutznetzen (Sicherheitsnetzen) Hinweise des Koordinators bzw. der Koordniatorin nach der Baustellenverordnung (BaustellV) und aus dem Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan zu berücksichtigen.

2.1.1 Hat die Unternehmerin oder der Unternehmer Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, insbesondere hinsichtlich der Sicherung gegen Unfallgefahren, so hat sie oder er diese dem Auftraggeber unverzüglich, möglichst schon vor Beginn der Arbeiten, schriftlich mitzuteilen.

2.1.2 Werden Beschäftigte mehrerer Unternehmer bzw. Unternehmerinnen oder mehrere selbstständige Einzelunternehmer bzw. Einzelunternehmerinnen an einem Arbeitsplatz tätig, haben die Unternehmer bzw. Unternehmerinnen hinsichtlich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten, insbesondere hinsichtlich der Maßnahmen nach § 2 Absatz 1, entsprechend § 8 Absatz 1 Arbeitsschutzgesetz zusammenzuarbeiten. Insbesondere haben sie, soweit es zur Vermeidung einer möglichen gegenseitigen Gefährdung erforderlich ist, eine Person zu bestimmen, die die Arbeiten aufeinander abstimmt. Zur Abwehr besonderer Gefahren ist diese mit entsprechender Weisungsbefugnis auszustatten.
Gegebenenfalls ist ein Koordinator oder eine Koordinatorin nach BaustellV (Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator/-koordinatorin) von der Bauherrschaft zu beauftragen

Siehe § 6 der DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention"
Siehe § 3 und § 5 der Baustellenverordnung
2.1.3 Die Unternehmerin und der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass zur Ersten Hilfe und zur Rettung aus Gefahr die erforderlichen Einrichtungen und Sachmittel sowie das erforderliche Personal zur Verfügung stehen. Es muss ein Rettungskonzept vorliegen.

2.2 Gefährdungsbeurteilung
Bei einer Gefährdungsbeurteilung ermittelt und bewertet die Unternehmerin bzw. der Unternehmer die Gefährdungen für ihre bzw. seine Beschäftigten, die sich im Rahmen ihrer Tätigkeit aufgrund des eingesetzten Arbeitsmittels, des gewählten Arbeitsverfahrens und der Arbeitsumgebung ergeben können. Sie hat das Ziel, Maßnahmen festzulegen, um eine Gefährdung für Leben und Gesundheit der Beschäftigten zu vermeiden und eventuell verbleibende Gefährdungen so gering wie möglich zu halten.
Das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung ist zu dokumentieren, Schutzmaßnahmen sind festzulegen, deren Umsetzung zu organisieren und ihre Wirksamkeit zu kontrollieren.

Bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung sind folgende allgemeine Grundsätze zu berücksichtigen:
Siehe § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) und Technische Regeln für Betriebssicherheit (TRBS 1111).
www.bgbau.de
Suchwort: Gefährdungsbeurteilung
Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch
- die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
- physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
- die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
- die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
- unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
- das Zusammenwirken mehrerer der vorgenannten Faktoren.
Abb. 1 Gefährdungsbeurteilung – Vorgehensweise (Handlungsschritte)
2.3 Leitung, Aufsicht, Unterweisung
2.3.1 Die Errichtung von Schutznetzen (Sicherheitsnetzen) muss von weisungsbefugten und fachkundigen Vorgesetzten geleitet werden. Diese haben für die vorschriftsmäßige Durchführung der Arbeiten zu sorgen.

Die schriftliche Beauftragung kann mit dem entsprechenden Muster-Formular aus der DGUV Regel 100-001 "Grundsätze der Prävention" durchgeführt werden.
Siehe § 13 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz und § 13 DGUV Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention"
2.3.2 Die Errichtung von Schutznetzen (Sicherheitsnetzen) muss von einer weisungsbefugten und fachkundigen Person beaufsichtigt werden.
Die Unternehmerin bzw. der Unternehmer wählt in Abhängigkeit von Art und Umfang der Errichtung von Schutznetzen (Sicherheitsnetzen)
- eine fachkundige Person mit entsprechender Qualifikation als Aufsichtführenden für diese Arbeiten aus,
- beauftragt sie mit der Beaufsichtigung der Arbeiten und
- weist sie in die Gefährdungsbeurteilung und die Montageanweisung ein.
Fachkundige Personen als Aufsichtführende sind z. B. Personen, die an dem Seminar "Qualifizierung von Personen für die Montage von Schutz- und Arbeitsplattformnetzen sowie Randsicherungen" nach dem DGUV Grundsatz 301-004 erfolgreich teilgenommen haben oder vergleichbare Fachkenntnisse vorweisen.

Vergleichbare Fachkenntnisse sind z. B. dann gegeben, wenn
- Grundkenntnisse über gesetzliche Regelungen und Arbeitsschutzbestimmungen der Unfallversicherungsträger, z. B. Arbeitsschutzrecht, Baurecht, Technische Regeln, Unfallverhütungsvorschriften,
- ausreichende praktische Berufserfahrung bei der Errichtung von Schutznetzen (Sicherheitsnetzen),
- Kenntnisse über Schutznetze (Sicherheitsnetze) sowie deren Zusammenwirken mit dem Bauwerk (Konstruktion),
- Kenntnisse über mögliche Gefährdungen und deren Beseitigung (mögliche Gefährdungen können z. B. Absturz, herabfallende Gegenstände, Heben, Tragen und Transport von Lasten, gefährliche Arbeitsstoffe sein)
vorliegen.
2.3.3 Die Unternehmerin bzw. der Unternehmer informiert und unterweist ihre bzw. seine Beschäftigten über die Gefährdungen bei der Errichtung von Schutznetzen (Sicherheitsnetzen). Das gilt gleichermaßen für den Einsatz von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.
Die Unterweisung umfasst Anweisungen und Erläuterungen, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich der Beschäftigten ausgerichtet sind.
Dazu gehören z. B.:
- Erläuterung des Plans für den Auf-, Um- oder Abbau des betreffenden Schutznetzes (Sicherheitsnetzes).
- Anweisungen zum sicheren Auf-, Um- oder Abbau des betreffenden Schutznetzes (Sicherheitsnetzes) einschließlich Materialtransport.
- Benennung vorbeugender Maßnahmen gegen die Gefahr des Absturzes von Personen und des Herabfallens von Gegenständen.
- Erläuterung des festgelegten Rettungskonzeptes einschließlich der erforderlichen Geräte und Ausrüstungen.
- Angaben über Sicherheitsvorkehrungen für den Fall, dass sich die Witterungsverhältnisse so verändern, dass die Sicherheit des betreffenden Schutznetzes (Sicherheitsnetzes) und der betroffenen Personen beeinträchtigt sein könnte.
- Hinweise zu zulässigen Belastungen unter Berücksichtigung von Verkehr (Baubetrieb) und Materiallagerung.

2.4 Mängelmeldung
Mängel an Arbeitsmitteln, Einrichtungen, Arbeitsverfahren oder Arbeitsabläufen, durch die für den Beschäftigten Gefahren entstehen können, müssen von den Beschäftigten der Aufsichtführenden oder dem Aufsichtsführenden unverzüglich gemeldet werden.
Mangelhafte Arbeitsmittel oder Einrichtungen sind nicht weiter zu verwenden, mangelhafte Arbeitsverfahren oder Arbeitsabläufe sind bis zur Beseitigung des Mangels zu unterbrechen.
Die und der Aufsichtführende informiert unverzüglich die Unternehmerin und den Unternehmer oder die Vorgesetzte und den Vorgesetzten nach Abschnitt 2.3.1 und handelt weiter nach deren Anweisung.
2.5 Bestehende Anlagen
2.5.1 Vor Beginn der Arbeiten hat die Unternehmerin bzw. der Unternehmer zu ermitteln, ob die Voraussetzungen nach Abschnitt 2.1 durch die Bauherrschaft erfüllt sind und die Unternehmerin bzw. der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass ermittelt wird, ob im vorgesehenen Arbeitsbereich Anlagen vorhanden sind, durch die Personen gefährdet werden können.

Mögliche Gefährdungen sind z. B.:
- Abstürzen, Abrutschen und Stolpern am Arbeitsplatz und dessen Zugang.
- Elektrische Gefährdung (Stromschlag), z. B. bei der Verwendung von elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln sowie bei Errichtung von Schutznetzen (Sicherheitsnetzen) in der Nähe von elektrischen Freileitungen.
- Physikalische Gefährdungen (Lärm, Strahlung), z. B. bei Arbeiten mit oder in der Nähe von lärmintensiven Maschinen oder Geräten sowie in der Nähe von Sendeanlagen.
- Gefahrstoffe (z. B. giftige, ätzende Stoffe, Kraftstoffe, Asbest), z. B. bei Arbeiten in Industriebetrieben und Großanlagen.
- Witterungsverhältnisse, z. B. starker oder böiger Wind, Vereisung, Schneeglätte.
- Gefährdungen aus dem einzunetzenden Objekt und dessen Umgebung, z. B. durch Rohrleitungen, Schächte und Kanäle, Hydranten und Absperreinrichtungen der öffentlichen Versorgung, Anlagen mit Explosionsgefahr, maschinelle Anlagen und Einrichtungen, Kran- und Förderanlagen, Bauteile, die beim Begehen brechen können, z. B. Faserzement-Wellplatten, Lichtplatten, Glasdächer, Oberlichter.
- Gefährdungen, die sich aus der Nutzung von Arbeitsmitteln ergeben, z. B. bei Nutzung von Hubarbeitsbühnen und Gerüsten.
- Gefährdungen, die sich aus dem gleichzeitigen Zusammenarbeiten mehrerer Unternehmen ergeben.
2.5.2 Sind Anlagen nach Absatz 2.5.1 vorhanden, so hat der Unternehmer bzw. die Unternehmerin dafür zu sorgen, dass im Benehmen mit dem Eigentümer bzw. der Eigentümerin oder dem Betreiber der Anlage die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen festgelegt und durchgeführt werden.

2.5.3 Bei unvermutetem Antreffen von Anlagen nach Abschnitt 2.5.1 sind die Arbeiten sofort zu unterbrechen. Der bzw. die Aufsichtführende nach Abschnitt 2.3.2 ist von den Beschäftigten unverzüglich zu verständigen.

2.6 Plan für den Auf-, Um- und Abbau (Montageanweisung) sowie den Gebrauch (Benutzung)
Für Auf-, Um- und Abbau und Gebrauch (Benutzung) des Schutznetzes (Sicherheitsnetzes) ist ein Plan zu erstellen, hierzu kann die Aufbau- und Verwendungsanleitung des Herstellers verwendet werden. Falls erforderlich, sollte sie um besondere Hinweise zum Gebrauch ergänzt werden.
Der Plan für den Auf-, Um- und Abbau (Montageanweisung) muss auch Angaben über die einzusetzenden Arbeitsmittel für die Montage bzw. Demontage und die Maßnahmen enthalten, um die ermittelten Gefährdungen für die Beschäftigten so gering wie möglich zu halten (ein Muster für eine Montageanweisung zeigt Anhang 4).
Dem bzw. der Aufsichtführenden und den betreffenden Beschäftigten muss der Plan für den Auf-, Um- und Abbau vor Durchführung der Arbeiten vorliegen.
2.6.1 Sind bei der Errichtung von Schutznetzen besondere sicherheitstechnische Angaben erforderlich, hat die Unternehmerin und der Unternehmer eine schriftliche Montageanweisung zu erstellen, die alle erforderlichen sicherheitstechnischen Angaben, einschließlich der vom Planer und vom Koordinator bzw. von der Planerin und der Koordinatorin nach Baustellenverordnung getroffenen Festlegungen, enthält.
Die Montageanweisung muss an der Einsatzstelle vorliegen.
Erforderlicher Bestandteil der Montageanweisung sind Angaben z. B. über
- Netzgrößen,
- das erforderliche Zubehör,
- die Auswahl der Aufhängepunkte,
- den Errichtungsablauf,
- Begehbarkeit von Bauteilen,
- erforderliche Geräte (z. B. Hubarbeitsbühnen),
- Öffnungen,
- Einbaustellen,
- Einrichtung/Nutzung von Arbeitsplätzen und Verkehrswegen für die Errichtung der Schutznetze (Sicherheitsnetze),
- Absturzsicherungen,
- geeignete Anschlageinrichtungen und Anschlagmöglichkeiten bei Benutzung von PSA gegen Absturz.
Angaben der Montageanweisung können auch in Verlege- und Ausführungsplänen enthalten sein.

2.7 Sichern und Kennzeichnen von Gefahrbereichen
Bereiche, in denen Personen durch herabfallende, umstürzende, abgleitende oder abrollende Gegenstände gefährdet werden können, dürfen nicht betreten werden. Die Unternehmerin bzw. der Unternehmer oder die bzw. der Vorgesetzte nach Abschnitt 2.3.1 muss diese Bereiche festlegen. Sie sind zu kennzeichnen und abzusperren oder durch Warnposten zu sichern.

Schutz gegen herabfallende, umstürzende, abgleitende oder abrollende Gegenstände und Massen ist gegeben, wenn über den darunter liegenden Arbeitsplätzen und Verkehrswegen Abdeckungen, Gerüstbeläge, Fangwände, Fanggitter, Fangnetze mit einer Maschenweite von höchstens 2 cm, Auffangnetze mit Planen oder Schutzdächer vorhanden sind.
Absperrungen können z. B. durch Geländer, Ketten und Seile erstellt werden, Trassierbänder sind dazu nicht geeignet.
2.8 Pflichten des Schutznetznutzers
Jede Unternehmerin und jeder Unternehmer, die oder der Beschäftigte durch Schutznetze (Sicherheitsnetze) gegen tieferen Absturz sichert, trägt Verantwortung dafür, dass sich diese in einem ordnungsgemäßen Zustand befinden. Die Nutzerinnen und Nutzer sollen vor dem Gebrauch (Benutzung) eine Inaugenscheinnahme und eine Funktionskontrolle durch eine qualifizierte Person auf offensichtliche Mängel durchführen. Diese Überprüfung erfolgt anhand des Plans für den Gebrauch (Gebrauchsanleitung der Schutznetzerstellerin bzw. Schutznetzerstellers).