5 Lufttechnische Maßnahmen

In Kapitel 4.3 wurde ausgeführt, wie lufttechnische Maßnahmen in die Rangfolge der Schutzmaßnahmen einzuordnen sind. Innerhalb der lufttechnischen Maßnahmen "Erfassen der Emissionen" (Kapitel 5.1) und "Austauschen von Raumluft" (Kapitel 5.2) wird zwischen verschiedenen Prinzipien unterschieden, bei deren Umsetzung auch eine Rangfolge zu beachten ist.

Die Gesamtheit der lufttechnischen Schutzmaßnahmen hinsichtlich Wirksamkeit und Kosten ist in Abbildung 2 dargestellt.

Die Abbildung zeigt eine grobe Bewertung der technischen Lüftungsarten in Bezug auf ihre Erfassungswirkung, den notwendigen Volumenstrom und die zu erwartenden Gesamtkosten der kontrollierten Luftführung.


Abb. 2 Beschreibung der Wirksamkeit der Lüftungsarten

Abb. 2 Beschreibung der Wirksamkeit der Lüftungsarten


5.1 Erfassung der Emissionen

Werden Luftverunreinigungen freigesetzt, müssen sie entsprechend dem Stand der Technik an ihrer Emissionsstelle vollständig erfasst und ohne Gefahr für Mensch und Umwelt fortgeleitet und beseitigt werden (siehe GefStoffV).

Folgende Bauarten von Erfassungseinrichtungen werden unterschieden:

In der angegebenen Reihenfolge nimmt die Störanfälligkeit der Erfassung gegenüber Querströmungen zu und folglich das Leistungsverhältnis aus Erfassungsgrad und Energieeinsatz ab. Daher sollte bei der Auswahl der Erfassungseinrichtung die genannte Rangfolge umgesetzt werden. Häufig ist eine Kombination verschiedener Erfassungseinrichtungen erforderlich.

Beispiel: Bei der Verwendung von handgeführten Schleifmaschinen ist das Schutzziel (Einhaltung des Gefahrstoffgrenzwerts) oftmals nur durch eine Kombination der Absaugung an der Maschine mit einer Absaugwand erreichbar.


Tabelle 4 Bauarten von Erfassungseinrichtungen

Bauart Schema Wirkungsweise Beispiele
geschlossen
(z. B. Kapselung, Einhausung)
Emissionsstelle vollständig eingehaust
Emissionsstelle vollständig eingehaust
Die Erfassungseinrichtung umschließt die Emissionsstelle allseitig nahezu vollständig; die belastete Luft wird aus dem umschlossenen Raum abgesaugt; Luft strömt aus der Umgebung gezielt durch Öffnungen nach. Beispiel: Emissionsstelle vollständig eingehaust
halboffen
(z. B. Absaugstand, Abzugsschrank, Werkzeugeinkleidung)
Emissionsstelle innerhalb der Erfassungseinrichtung
Emissionsstelle innerhalb der Erfassungseinrichtung
Die Emissionsstelle liegt innerhalb der Erfassungseinrichtung, die abgesaugt wird; die Luft kann nur aus einer Richtung gezielt nachströmen (offene Seite). Beispiel: Emissionsstelle innerhalb der Erfassungseinrichtung
offen
(z. B. Saugrohr, Saugrohr mit Flansch/Düsenplatte, Absaugtrichter, Absaughaube, Badabsaugung)
Emissionsstelle außerhalb der Erfassungseinrichtung
Emissionsstelle außerhalb der Erfassungseinrichtung
Die Erfassungseinrichtung umschließt die Emissionsstelle allseitig nahezu vollständig; die belastete Luft wird aus dem umschlossenen Raum abgesaugt; Luftströmt aus der Umgebung gezielt durch Öffnungen nach. Beispiel: Emissionsstelle außerhalb der Erfassungseinrichtung

Legende:

Symbol Emissionsstelle Emissionsstelle     Symbol Nachströmende Luft Nachströmende Luft     Symbol Abgesaugte Luft Abgesaugte Luft

Für die gleiche Wirksamkeit der Erfassung fordert eine offene Bauart wesentlich größere Luftströme als eine halboffene oder geschlossene Bauart.


Erfassungsbereich von Erfassungseinrichtungen offener Bauart
Der Luftstrom, der durch ein Erfassungselement (z. B. Düsenplatte, Absaugtrichter, Absaughaube) gesaugt wird, erzeugt ein Saugfeld. Die Form und die Größe des Saugfelds, die wiederum vom Luftvolumenstrom abhängig sind, lassen sich durch Isotachen (Linien gleicher Luftgeschwindigkeit) beschreiben.

Abbildung 3 zeigt ein einfaches Saugrohr und ein Saugrohr mit Düsenplatte mit dem Durchmesser D und der Strömungsgeschwindigkeit v0 im Rohr. Zusätzlich ist noch das Saugfeld mit den Isotachen dargestellt (mit prozentualem Anteil von 50 %, 30 %, 15 % und 7,5 % der Strömungsgeschwindigkeit v0). Mit zunehmendem Abstand zur Rohröffnung reduziert sich die Strömungsgeschwindigkeit drastisch. Im Abstand D vor dem Saugrohr ist die Strömungsgeschwindigkeit auf nur noch 7,5 % von v0 gesunken.

Abb. 3 Vergleich der Saugfelder vor einem Saugrohr und vor einem Saugrohr mit Düsenplatte

Abb. 3 Vergleich der Saugfelder vor einem Saugrohr und vor einem Saugrohr mit Düsenplatte

Ein Flansch an der Öffnung des Saugrohrs erweitert das Saugfeld.

Um einen Gefahrstoff an der Emissionsstelle erfassen zu können, muss die Erfassungsgeschwindigkeit größer sein als die Eigengeschwindigkeit des freigesetzten Gefahrstoffs. Richtwerte für die Strömungsgeschwindigkeiten in Luftleitungen und Erfassungsgeschwindigkeiten werden in Tabelle 6 und Tabelle 7 aufgeführt.

5.2 Austauschen der Raumluft

Ist eine vollständige Erfassung nach Kapitel 5.1 - auch bei Einsatz sich ergänzender Erfassungseinrichtungen - nicht möglich, sind zusätzliche raumlufttechnische Maßnahmen zu treffen.

Eine Anlage zur Raumlüftung hat die Aufgabe, für eine definierte Luftdurchströmung des gesamten Raums oder des betroffenen Raumbereichs zu sorgen.

Die Art und Weise, wie die Luft den Raum durchströmt und die im Raum vorhandene Luft ersetzt, bestimmt die Wirksamkeit der Lüftung. Im Wesentlichen können folgende Arten der Luftführung unterschieden werden:

Folgende Prinzipien müssen bei der Planung von Anlagen zur Raumlüftung beachtet werden:

Zur Ermittlung der notwendigen Zu- und Abluftvolumenströme von Anlagen zur Raumlüftung muss eine genaue Analyse der Lasten (Stoffe, Wärme, Feuchte) erfolgen. Eine Hilfestellung bietet unter anderem die VDI Richtlinie 2262 Blatt 3.

5.2.1 Verdrängungsströmung

Durch die möglichst gleichmäßige Zufuhr der Zuluft über eine große Fläche werden die Emissionen aus dem Raum verdrängt. Verdrängungslüftung ist aufgrund des hohen erforderlichen Luftvolumenstroms nur bei sehr hohen Anforderungen an die Luftqualität oder bei hohen Gefahrstofflasten zweckmäßig (z. B. Lackierkabinen).

Die Zu- und Abluft im Raum soll so geführt werden, dass gefahrstoffhaltige Luft nicht in den Atembereich von Beschäftigten gelangt. Die Luftführung kann sowohl horizontal als auch vertikal erfolgen. Die Eigenbewegung (Thermik, Eigenimpuls) der Stoffe soll dabei genutzt werden.

Abb. 4 Verdrängungsströmung am Beispiel einer Lackierkabine mit vertikaler Luftführung

Abb. 4 Verdrängungsströmung am Beispiel einer Lackierkabine mit vertikaler Luftführung

5.2.2 Schichtströmung

Sind in einem Raum Wärmequellen vorhanden (z. B. Öfen, Maschinen, warme Produkte, viele Menschen) werden mit dem dabei entstehenden Thermikstrom Stoff- und Wärmelasten nach oben transportiert, wo sie dann abgeführt werden sollen. Bei der Schichtströmung wird der durch Thermik aufsteigende Luftstrom durch unbelastete Zuluft im Bodenbereich ersetzt. Dadurch wird ein Rückströmen belasteter Luft aus dem Deckenbereich verhindert. So entsteht im Arbeitsbereich eine weitgehend unbelastete Luftschicht.

Abb. 5 Prinzip Schichtströmung

Abb. 5 Prinzip Schichtströmung

5.2.3 Mischströmung

Zuluft wird mit großem Impuls in den Raum eingebracht und vermischt sich mit der belasteten Raumluft. Auf diese Weise wird eine Verdünnung der Konzentration der Luftverunreinigungen in der Raumluft erreicht.

Die Mischströmung ist nicht geeignet für Hallen mit hohen Wärmelasten und ist auch nicht geeignet zur gerichteten Abführung von Stofflasten.

Abb. 6 Prinzip Mischströmung

Abb. 6 Prinzip Mischströmung

5.2.4 Freie Lüftung

Freie Lüftung ist der Luftaustausch von Raumluft gegen Außenluft durch Druckunterschiede infolge von Wind oder Temperaturdifferenzen mit Hilfe von Zu- und Abluftöffnungen im Raum.

Die Lage des neutralen Bereichs wird durch die thermische Last und die Druckverhältnisse innerhalb und außerhalb des Gebäudes bestimmt. Im neutralen Bereich ist der Innendruck gleich dem Außendruck. Eine Anordnung von Lüftungsöffnungen in diesem Bereich hätte zur Folge, dass kein Luftaustausch stattfindet.

Der durch freie Lüftung erreichbare Luftaustausch ist abhängig von Faktoren wie Dichtigkeit des Gebäudes, der Fenster, Türen und Tore und ihrer Nutzung, von Wind und Wetter und von inneren thermischen Lasten. Der Luftaustausch schwankt stark und ist schwer beeinflussbar. Die freie Lüftung ist damit zum Beseitigen von Gefahrstoffen oft nicht geeignet.

Abb. 6 Prinzip der freien Lüftung mit Darstellung der Druckunterschiede im Innenraum

Abb. 6 Prinzip der freien Lüftung mit Darstellung der Druckunterschiede im Innenraum