3. Pflicht- bzw. Angebotsvorsorge vor Aufnahme und während der Tätigkeit

3.1 Regelfälle von Pflicht- bzw. Angebotsvorsorge

Sind die in Anhang Teil 1 ArbMedVV genannten, in Abschnitt 2 Absatz 2 dieser AMR wiedergegebenen Voraussetzungen erfüllt, muss arbeitsmedizinische Vorsorge veranlasst bzw. angeboten werden, wenn

  1. der für den Gefahrstoff vorhandene Arbeitsplatzgrenzwert nicht eingehalten wird,
  2. der Gefahrstoff hautresorptiv ist und eine Gesundheitsgefährdung durch Hautkontakt nicht ausgeschlossen werden kann. Nach TRGS 401 ist bei Tätigkeiten mit hautresorptiven Stoffen eine Gesundheitsgefährdung in der Regel nur bei geschlossenen Anlagen auszuschließen. Ein Einsatz von personenbezogenen Schutzmaßnahmen minimiert den Hautkontakt, kann ihn in der Regel aber nicht ausschließen,
  3. der Gefahrstoff im Sicherheitsdatenblatt mit dem Gefahrenhinweis H372 ("Schädigt die Organe bei längerer oder wiederholter Exposition.") oder H373 ("Kann die Organe schädigen bei längerer oder wiederholter Exposition.") gemäß CLP-Verordnung gekennzeichnet ist,
  4. es sich um wiederholte Reparatur-, Wartungs-, Reinigungs-, Abrissarbeiten oder nicht geschlossene Probenahmen handelt und eine Gefährdung nicht auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung gemäß TRGS 400, 401 und 402 ausgeschlossen werden kann

    oder

  5. für den Gefahrstoff ein Biomonitoringverfahren nach § 6 Absatz 2 Satz 1 ArbMedVV in Verbindung mit der AMR 6.2 zur Verfügung steht, es sei denn, dass der Arzt oder die Ärztin im Sinne des § 7 ArbMedVV dem Arbeitgeber unter Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht das Absehen von weiterer Pflicht- bzw. Angebotsvorsorge in dem Kollektiv empfohlen hat. Eine entsprechende Rückmeldung an den Arbeitgeber setzt voraus, dass der Arzt oder die Ärztin im Sinne des § 7 ArbMedVV in Auswertung vorheriger arbeitsmedizinischer Vorsorgen bei ausreichender Beurteilungsgrundlage feststellt, dass die Beurteilungswerte (der Äquivalenzwert zum Akzeptanzrisiko oder der BAR-Wert) eingehalten werden. Eine ausreichende Beurteilungsgrundlage ist anzunehmen, wenn
    a) bei mehr als 100 vergleichbar exponierten Beschäftigten die Ergebnisse von mehr als 40 Prozent der Exponierten vorliegen,
    b) bei 51 bis 100 vergleichbar exponierten Beschäftigten die Ergebnisse von mehr als 50 Prozent der Exponierten vorliegen,
    c) bei 26 bis 50 vergleichbar exponierten Beschäftigten die Ergebnisse von mehr als 70 Prozent der Exponierten vorliegen,
    d) bei 11 bis 25 vergleichbar exponierten Beschäftigten die Ergebnisse von mehr als 85 Prozent der Exponierten vorliegen,
    e) bei zehn und weniger vergleichbar exponierten Beschäftigten die Ergebnisse aller Exponierten vorliegen.

Von einer Einhaltung der Beurteilungswerte ist auszugehen, wenn sie bei 95 Prozent der untersuchten Beschäftigten unterschritten werden. Bei Überschreitung des Beurteilungswertes ist zusätzlich auch die Höhe der einzelnen Messwerte hinsichtlich der Relevanz für die Gruppe der vergleichbar Exponierten zu beurteilen.

 

3.2 Ausnahmen von Pflicht- bzw. Angebotsvorsorge (Abschneidekriterien)

(1) Liegt kein Fall von Abschnitt 3.1 vor, muss arbeitsmedizinische Vorsorge bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B nicht veranlasst bzw. angeboten werden (Abschneidekriterien), wenn

  1. die Hintergrundkonzentration in der Luft ermittelt und eingehalten wird,
  2. für den Gefahrstoff eine Exposition-Risiko-Beziehung (ERB) nach TRGS 910 vorhanden ist und die Akzeptanzkonzentration nach TRGS 910 eingehalten wird,
  3. es sich um eine Tätigkeit an einer technisch dichten Anlage gemäß TRGS 500 handelt,
  4. es sich um Labortätigkeiten mit laborüblichen Mengen unter Einhaltung der Anforderungen der TRGS 526 handelt

    oder

  5. eine geringe Gefährdung im Sinne von § 6 Absatz 13 GefStoffV in Verbindung mit TRGS 400 vorliegt.

(2) Macht der Arbeitgeber von den Abschneidekriterien Gebrauch, so hat er

  1. dies in der Gefährdungsbeurteilung zu begründen,

    und

  2. in der Unterweisung auf die Möglichkeit der Wunschvorsorge ausdrücklich hinzuweisen.

(3) Auch bei Vorliegen von Abschneidekriterien muss bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B angenommen werden, dass ein Gesundheitsschaden nicht ausgeschlossen werden kann; das Recht auf Wunschvorsorge nach § 5a ArbMedVV bleibt also erhalten.

(4) Bei Änderung der Arbeitsbedingungen müssen die Abschneidekriterien erneut geprüft werden.