Das Sicherheitsdatenblatt (SDB) ist das zentrale Instrument der Informationsübermittlung unter REACH. Die Vorgaben zum SDB sind in der REACH-Verordnung in Artikel 31 in Verbindung mit Anhang II geregelt. Das SDB muss dem Arbeitgeber ermöglichen, die notwendigen Maßnahmen für den Schutz der menschlichen Gesundheit und die Sicherheit am Arbeitsplatz zu ergreifen.
Das SDB ist die wichtigste Informationsquelle für die Gefährdungsbeurteilung (TRGS 400, Abschnitt 5.1, Absatz 1; § 6 Absatz 2 GefStoffV). Über das SDB kommuniziert der Lieferant wichtige Informationen an den Abnehmer. In Anhang 2 dieser Empfehlung werden tabellarisch die Aufgaben bei der Gefährdungsbeurteilung den entsprechenden Abschnitten im SDB gegenübergestellt.
Wird das SDB innerhalb eines Jahres nach der Lieferung aufgrund wesentlicher Änderungen überarbeitet, so ist das aktualisierte SDB unaufgefordert an den Abnehmer zu übermitteln. Ein aktualisiertes SDB ist für den Arbeitgeber immer ein Anlass, die Gefährdungsbeurteilung zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Darüber hinaus ist gemäß der REACH-Verordnung das SDB nach der letzten Verwendung des Stoffs oder Gemisches zehn Jahre aufzubewahren.
Der Lieferant liefert zusätzliche Informationen in Form eines erweiterten Sicherheitsdatenblatts (eSDB) für Stoffe, die von ihm im Mengenband von über 10 Tonnen pro Jahr registriert wurden und
SDB können unvollständig oder fehlerhaft sein – unabhängig davon, ob dem SDB ein Expositionsszenarium (ES) angefügt ist oder nicht. Daher verpflichten die GefStoffV und die TRGS 400 den Arbeitgeber, das SDB auf offensichtlich unvollständige, widersprüchliche oder fehlerhafte Angaben zu überprüfen. Eine Dokumentation der Prüfung des Sicherheitsdatenblatts ist nicht vorgeschrieben.
Anhaltspunkte und Beispiele für solche offensichtlich unvollständigen, widersprüchlichen oder fehlerhaften Angaben im SDB können z. B. sein:
Jedoch ist es laut Artikel 34 der REACH-Verordnung notwendig, den Lieferanten Informationen über abweichende Einstufungen und nicht geeignete Risikomanagementmaßnahmen der eigenen Verwendungen zu übermitteln. Es lässt sich aus Artikel 34 keine Pflicht ableiten, sämtliche Fehler, die man im SDB identifiziert, an den Lieferanten zu melden. Gegebenenfalls muss beim Lieferanten ein korrektes Sicherheitsdatenblatt angefordert und von diesem geliefert werden (Verpflichtung nach REACH-Verordnung). Wenn der Lieferant auch auf Nachfrage keine korrekten Informationen bereitstellt, muss sich der Arbeitgeber die erforderlichen Informationen selbst beschaffen (siehe TRGS 400). Für diese Recherche eignen sich insbesondere leicht zugängliche Datenbanken gemäß TRGS 400 Abschn. 5.1, wie z. B. die Gefahrstoffinformationssysteme der Unfallversicherungsträger (z. B. GESTIS, GisChem und WINGIS), spezielle Handschuhdatenbanken oder die REACH-Datenbank der ECHA1. Alternativ kann das Produkt von einem anderen Lieferanten beschafft werden, der ein korrektes SDB zur Verfügung stellt.
Bei registrierten Stoffen wird im Abschnitt 1 des SDB die Registrierungsnummer angegeben. Damit ist erkennbar, ob und - zu einem gewissen Grad – nach welchen Vorgaben der Stoff registriert wurde. Nur Registrierungsnummern, die mit 01-… beginnen, weisen auf Stoffe mit einer vollständigen Registrierung hin. Bei diesen Stoffen kann davon ausgegangen werden, dass wesentliche Daten vorhanden sind. Für registrierte Stoffe zwischen 1 und 10 Tonnen pro Jahr (t/a) werden allerdings die Daten für die inhalative und dermale Toxizität sowie die für die Toxizität für wiederholte Applikation in der Regel nicht erhoben. Wenn eingestufte Stoffe als Komponenten in einem Gemisch in Abschnitt 3.2 des SDB zu nennen sind, so muss, falls vorhanden, auch die jeweilige Registrierungsnummer angegeben werden. Der Arbeitgeber kann darüber hinaus aus der Registrierungsnummer keine Hinweise für die Gefährdungsbeurteilung ableiten. Eine Überprüfung der Registrierungsnummer ist nicht notwendig.
Gemäß CLP-Verordnung erhalten Gemische, die aufgrund von Gesundheitsgefahren oder bestimmter physikalischer Gefahren eingestuft sind, einen eindeutigen Rezepturidentifikator, den "Unique Formula Identifier" (UFI). Dieser 16-stellige Code, der mit den Buchstaben "UFI" beginnt, ist in der Regel auf dem Etikett zu finden. Im SDB kann er im Abschnitt 1.1 angegeben werden. Der UFI dient Giftinformationszentren zur Ermittlung der vom Lieferanten gemeldeten gesundheitlichen Notfallinformationen. Diese Informationen sind nicht öffentlich zugänglich, können aber von den Giftinformationszentren abgerufen werden. Der Arbeitgeber kann aus dem UFI keine Hinweise für die Gefährdungsbeurteilung ableiten. Er muss die Maßnahmen zur Ersten Hilfe aus den Informationen des Abschnitts 4 des SDB oder anderen Quellen entnehmen. Es wird empfohlen, diese mit dem Betriebsarzt abzustimmen. Die Angabe des UFI im Gefahrstoffverzeichnis oder in anderen innerbetrieblichen Dokumenten ist nicht erforderlich.
Expositionsszenarien (ES) erweitern Sicherheitsdatenblätter von gefährlichen Stoffen, die im Mengenband über 10 Tonnen pro Jahr und Lieferant registriert werden. Ein erweitertes Sicherheitsdatenblatt (eSDB) für Gemische ist in der REACH-Verordnung in der Regel nicht vorgesehen. Die Quelle für ES sind die Stoffsicherheitsberichte, die vom Hersteller oder Importeur im Rahmen der REACH-Registrierung für diese Stoffe erstellt werden müssen.
Im eSDB wird für jede identifizierte Verwendung ein ES mitgeliefert. Dort werden die Verwendungsbedingungen und Risikomanagementmaßnahmen für eine angemessene Beherrschung der Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt beschrieben. Der Arbeitgeber muss das ES bei seiner Gefährdungsbeurteilung als Informationsquelle berücksichtigen.
Format und Inhalt eines ES sind in der REACH-Verordnung nicht verbindlich festgelegt. Gemäß Empfehlung der ECHA sollte ein ES jedoch die folgenden Abschnitte enthalten2:
Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die wesentlichen Inhalte der jeweiligen Abschnitte des ES.
Tabelle 1: Übersicht über die Inhalte eines Expositionsszenariums
ES Ab- schnitt | Bezeichnung | Inhalte | |
1 | Titelabschnitt | Anwendungsbereich des ES | |
Referenznummer des ES | |||
Beitragsszenarien (z. B. Szenarium zur Freisetzung in die Umwelt, Szenarium zur Exposition von Beschäftigten und Verbrauchern) | |||
Verwendungsdeskriptoren: | |||
Informationen zum Marktsegment | Produktkategorie (PC) Verwendungssektor (SU) Erzeugniskategorie (AC) | ||
Informationen zur Art der Anwendung | Verfahrenskategorie (PROC) | ||
Informationen zur Art der Umweltfreisetzung | Umweltfreisetzungskategorie (ERC) | ||
2 | Verwendungs- bedingungen mit Einfluss auf die Exposition | Einsatzbedingungen (OCs) | Dauer und Häufigkeit des Einsatzes Einsatzmenge Weitere Anwendungsbedingungen, die die Exposition beeinflussen |
Risikomanagementmaßnahmen (RMM) (für jedes beitragende Szenarium) | Arbeitsschutz Verbraucherschutz Umweltschutz Abfallbehandlung | ||
3 | Expositions- abschätzung (je beitragendes Szenarium) | Geschätzte Expositionshöhe (Beschäftigte, Umwelt, Verbraucher) Risk Characterisation Ratio (RCR, Risikoverhältnis) Informationen zur verwendeten Methodik (Messwerte, Modellierungssoftware etc.) | |
4 | Leitlinie für nachgeschaltete Anwender | Informationen, wie überprüft werden kann, dass Verwendungen durch ein ES abgedeckt sind (bei abweichenden Verwendungsbedingungen) | Informationen zu Scaling-Methoden Informationen zu skalierbaren Parametern |
Verwendungsdeskriptoren in Expositionsszenarien Erweiterte Sicherheitsdatenblätter umfassen häufig eine große Anzahl von Expositionsszenarien und sind häufig umfangreich. Verwendungsdeskriptoren erleichtern den Arbeitgebern, das für ihre Verwendung passende Expositionsszenarium zu finden. Häufig unterstützt eine tabellarische Übersicht der Verwendungsdeskriptoren diese Suche. Eine Auflistung aller Verwendungsdeskriptoren ist in den ECHA-Leitlinien zu Informationsanforderungen und Stoffsicherheitsbeurteilung3, Kapitel R.12: Verwendungsbeschreibung, enthalten. Beispiel: Expositionsszenarium "Auftragen von Farbe mit der Malerrolle"
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Ein ES beschreibt allgemein formulierte Risikomanagementmaßnahmen (RMM) ohne konkreten Arbeitsplatzbezug. Für die Gefährdungsbeurteilung können diese RMM ein guter Einstieg sein, müssen aber an die vorliegenden betrieblichen Gegebenheiten angepasst werden. ES können tätigkeits- und arbeitsplatzspezifische Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten nicht vollständig ersetzen. Die expositionsbestimmenden Parameter am konkreten Arbeitsplatz wie z. B. Raumgröße, vorhandene technische Schutzmaßnahmen, Lüftungsverhältnisse oder Temperatur sind in der Gefährdungsbeurteilung immer zusätzlich zu berücksichtigen. Darüber hinaus müssen weitere Gefährdungen berücksichtigt werden, z. B. Wechselwirkungen mit anderen Gefahrstoffen oder physikalischen Belastungen, z. B. durch Lärm (TRGS 400, Abschnitt 5.4 Absatz 3).
Erhält ein Anwender ein ES, muss er überprüfen, ob seine Verwendungsbedingungen abgedeckt sind. Die Einzelheiten einer solchen Prüfung sind im ECHA-Leitfaden für nachgeschaltete Anwender beschrieben4. Der Arbeitgeber kann von den RMM des ES abweichen, wenn die Anforderungen der GefStoffV erfüllt sind. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn
Werden in einem ES persönliche Schutzmaßnahmen vor technischen und organisatorischen Maßnahmen empfohlen, ist die Anwendung technischer und organisatorischer Schutzmaßnahmen zu prüfen und vorrangig gemäß TOP-Prinzip umzusetzen. Fehlt allerdings ein ES für eine bestimmte Verwendung ganz, greifen für den Arbeitgeber REACH-Pflichten (siehe auch Kasten "Hinweis auf REACH-Pflichten"). Gleiches gilt für den Fall, dass ein Lieferant im eSDB von einer Verwendung abrät und deshalb kein ES zur Verfügung stellt. Die Verwendungen können dennoch zulässig sein. Der Arbeitgeber muss dann die Gefährdungsbeurteilung nach GefStoffV auf Grundlage anderer Informationen durchführen.
REACH-Pflichten bei fehlenden ES Der Arbeitgeber als nachgeschalteter Anwender muss beim Fehlen eines ES für seine Verwendung aktiv werden. Der einfachste und schnellste Weg ist, die Gefährdungsbeurteilung an seinen Lieferanten zu übermitteln, verbunden mit der Bitte, das ES entsprechend zu ergänzen. Der Lieferant ist verpflichtet, die Informationen des nachgeschalteten Anwenders zu berücksichtigen. Kann er die beabsichtigte Verwendung z. B. aus Gründen der Gesundheit oder der Umwelt nicht verantworten, muss er dies dem nachgeschalteten Anwender mitteilen. Alternativ ist z. B. auch ein Lieferantenwechsel zu einem Anbieter möglich, der ein entsprechendes ES in seinem eSDB integriert hat. Wenn auch das nicht möglich ist, muss der nachgeschaltete Anwender ein eigenes ES erstellen und dieses der ECHA übermitteln. Ergibt sich im Rahmen einer gemäß Gefahrstoffverordnung durchgeführten Wirksamkeitsprüfung, dass die im eSDB übermittelten Risikomanagementmaßnahmen nicht ausreichen oder nicht erforderlich sind, um die Einhaltung des DNEL zu gewährleisten, so besteht für den nachgeschalteten Anwender die Verpflichtung, den Lieferanten des Stoffs formlos hierüber zu informieren. |