(1) Gemäß der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) hat der Arbeitgeber im Rahmen seiner Gefährdungsbeurteilung die Pflicht, Art, Ausmaß und Dauer der dermalen Gefährdung zu ermitteln und zu beurteilen sowie die erforderlichen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung oder Minimierung der Gefährdung durch Hautkontakt festzulegen.
(2) Der Arbeitgeber hat die für die Beurteilung der Gefährdung und die Festlegung der Maßnahmen erforderlichen Informationen für alle Tätigkeiten, Arbeitsverfahren und Arbeitsbedingungen im Hinblick auf den Hautkontakt gegenüber Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen zu ermitteln.
(3) Ermittelt werden müssen:
a) | hautgefährdende Eigenschaften (siehe Abschnitt 3.2.2), |
b) | hautresorptive Eigenschaften (siehe Abschnitt 3.2.3) und |
c) | sonstige Eigenschaften, die zu einer Gefährdung der Haut führen können (z. B. entfettend, siehe Abschnitt 3.2.4), |
(4) Relevante Informationsquellen zur Informationsermittlung stellen branchen- oder tätigkeitsspezifische Handlungsempfehlungen, Hilfestellungen sowie Portale und Datenbanken nach Anhang 2 dar.
(1) Für die Ermittlung stoffbezogener Informationen hat der Arbeitgeber Informationen insbesondere aus den folgenden Quellen heranzuziehen:
(2) Weitere Informationen findet der Arbeitgeber unter anderem in folgenden Quellen:
(3) Liegen keine aussagekräftigen Informationen (Hinweise zur Ermittlung siehe auch TRGS 400 Abschnitt 5.2) zu akut toxischen Wirkungen über die Haut, hautreizenden oder hautsensibilisierenden Wirkungen vor, sind die Stoffe und Gemische bei der Gefährdungsbeurteilung wie Stoffe der Gefahrenklassen Akute Toxizität (dermal) Kategorie 3, Hautreizung Kategorie 2 oder Sensibilisierung der Haut Kategorie 1 zu behandeln.
(1) Gefahrstoffe sind hautgefährdend, wenn sie eingestuft sind bezüglich:
(2) Gefahrstoffe sind auch hautgefährdend, wenn sie mit dem folgenden EUH-Satz gekennzeichnet sind: EUH066: Wiederholter Kontakt kann zu spröder oder rissiger Haut führen.
(3) Zudem können Gefahrstoffe, die mit einem der folgenden EUH-Sätze gekennzeichnet sind, für Beschäftigte, die bereits gegenüber den im EUH-Satz genannten Stoffen sensibilisiert sind, hautgefährdend sein:
(4) Gefahrstoffe sind auch hautgefährdend, wenn sie in der TRGS 900 oder TRGS 907 mit "Sh" (sensibilisierend auf die Haut) oder "Sah" (sensibilisierend auf die Atemwege und die Haut) gekennzeichnet sind. Wenn der Gefahrstoff nicht in diesen TRGS aufgeführt ist, kann die MAK- und BAT-Werte-Liste der Deutschen Forschungsgemeinschaft als weitere Informationsquelle herangezogen werden.
(5) Einige Arzneimittel, ätherische Öle, Pflanzen und Steinkohlenteerprodukte können in Verbindung mit natürlicher oder künstlicher UV-Strahlung zu einer verstärkten Lichtempfindlichkeit führen und unerwünschte Hautreaktionen (photoallergische bzw. phototoxische Reaktionen) auslösen. Beispiele sind in Anhang 7 aufgeführt.
(1) Gefahrstoffe sind hautresorptiv, wenn sie wie folgt eingestuft sind:
(2) Gefahrstoffe sind auch hautresorptiv, wenn sie in der TRGS 900, TRGS 905 oder TRGS 910 mit "H" (hautresorptiv) gekennzeichnet sind. Wenn der Gefahrstoff nicht in diesen TRGS aufgeführt ist, kann die MAK- und BAT-Werte-Liste der Deutschen Forschungsgemeinschaft als weitere Informationsquelle herangezogen werden.
(3) Stoffe mit einer Einstufung in eine der folgenden Gefahrenklassen und -kategorien sind bei der Gefährdungsbeurteilung und der Ableitung der erforderlichen Schutzmaßnahmen zusätzlich wie hautresorptive Stoffe zu behandeln, falls keine diesbezüglichen Informationen zu erhalten sind:
(4) Bei einigen Stoffen ist unter bestimmten Randbedingungen neben dem direkten Hautkontakt auch die Aufnahme des Stoffs über die Gas-/Dampfphase oder als Aerosol zu berücksichtigen. Nachfolgend sind beispielhaft Stoffe genannt, bei denen die Aufnahme über die Gas-/Dampfphase einen zusätzlichen relevanten Aufnahmepfad darstellen kann, wenn große Hautbereiche nicht von Arbeits- oder Schutzkleidung bedeckt sind:
(1) Kosmetische Mittel, Lebensmittel und -zusatzstoffe, Futtermittel und -zusatzstoffe, Arzneimittel, Medizinprodukte, Tabakerzeugnisse, Abfälle und Altöle sowie Abwässer können hautgefährdend und damit Gefahrstoffe sein. Bestandteile von Pflanzen und Tieren können auch Gefahrstoffe sein, wenn sie gefährliche Eigenschaften aufweisen (z. B. sensibilisierend nach TRGS 907). Tätigkeiten mit gebrauchten Motorenölen sind aufgrund der nicht auszuschließenden Gehalte an polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffen in den Motorenölen als hautresorptiv und krebserzeugend eingestuft.
(2) Auch sonstige Stoffe und Gemische, die nach den Kriterien der GefStoffV nicht entsprechend eingestuft sind, können eine schädigende Wirkung auf die Haut aufweisen. Beispiele sind Anwendungslösungen von Detergenzien, Desinfektionsmitteln, Kühlschmierstoffen und manche entfettenden Lösemittel sowie schwach saure oder basische Gefahrstoffe.
(3) Bei Kontakt mit Gefahrstoffen, die selbst nicht hautresorptiv sind, besteht die Möglichkeit, dass sie in Kombination mit anderen Stoffen ("Carrier") durch die Haut aufgenommen werden. Bei der Gefährdungsbeurteilung ist die verstärkte Aufnahme von Gefahrstoffen durch Stoffe mit Carrier-Effekten (z. B. Emulgatoren, Dimethylsulfoxid (DMSO), N,N-Dimethylformamid (DMF) und Glykol-Verbindungen) zu berücksichtigen. Stoffe mit Carrier-Effekten können die Durchbruchszeit und damit auch die maximale Tragedauer von Schutzhandschuhen verkürzen.
(4) Hautgefährdende Stoffe und Gemische können auch erst während der Tätigkeiten entstehen oder freigesetzt werden (z. B. Chlorgas, nickelhaltige Schleifstäube oder polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe). Dies ist beispielweise auch der Fall bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen, z. B. bei der Altlastensanierung (Deponie, Boden, Grundwasser), bei der Gebäudeschadstoffsanierung, bei der Brandschadensanierung oder beim Abbau von Industrieanlagen, und umfasst auch die Reinigungsarbeiten im Rahmen einer Sanierung.
(5) Allergene Stoffe sind im Sicherheitsdatenblatt nicht immer angegeben. Sofern sich Anhaltspunkte auf entsprechende Inhaltsstoffe ergeben, z. B. bei den im Anhang 3 aufgeführten Berufen und Tätigkeiten oder bei aufgetretenen Sensibilisierungen im Betrieb, sind beim Lieferanten weitere Informationen zu beschaffen und in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen.
(1) Der Arbeitgeber hat zu ermitteln:
(2) Erkenntnisse arbeitsmedizinischer Vorsorge nach ArbMedVV sind unter Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht zu berücksichtigen. Liegen Erkenntnisse aus dem Biomonitoring in anonymisierter Form vor, so sind diese bei der Gefährdungsbeurteilung einzubeziehen.
Hautkontakt kann direkt z. B. durch Eintauchen, Spritzer, Aerosole (wie Tröpfchen oder Staub), Benetzung der Haut, über Arbeitsmittel erfolgen. Indirekter Hautkontakt kann z. B. durch verunreinigte Kleidung, verunreinigte persönliche Schutzausrüstung (z. B. beim Ablegen der Schutzausrüstung) oder kontaminierte Oberflächen erfolgen.
(1) Das Ausmaß des Hautkontaktes ist festgelegt durch die Größe der exponierten Fläche der betroffenen Körperteile sowie die Häufigkeit und Intensität des Kontakts. Es ist durch eine Analyse der Tätigkeiten bzw. des Arbeitsverfahrens zu ermitteln.
(2) Unterschieden wird zwischen:
(1) Die Dauer des Hautkontakts wird (aus pragmatischen Erwägungen) unterschieden in
1. kurzzeitige Einwirkung (< 15 Minuten/Arbeitstag) und 2. länger andauernde Einwirkung (> 15 Minuten/Arbeitstag).Ist mit einem wiederholten Hautkontakt zu rechnen, sind die Expositionszeiten mit dem jeweiligen Gefahrstoff über einen Arbeitstag zu addieren.
(2) Die Dauer des Hautkontaktes beginnt mit der Verunreinigung der Haut durch den betreffenden Gefahrstoff und endet erst mit der wirksamen Beseitigung des Gefahrstoffs von der Haut.
(1) Bei einigen Stoffen und unter bestimmten Bedingungen kann die Aufnahme über die Gas-/Dampfphase einen relevanten Teil zur gesamten Belastung beitragen. Dies ist der Fall, wenn große Hautbereiche nicht von Arbeits- oder Schutzkleidung bedeckt sind. Zum Beispiel kann bei Tätigkeiten mit Epoxidharzen Hautkontakt im Gesicht über die Dampfphase auftreten, insbesondere bei erhöhter Temperatur.
(2) Beispiele für Hautkontakt über die Hände hinaus sind:
(1) Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung hat der Arbeitgeber zu ermitteln, ob eine Gefährdung durch Feuchtarbeit vorliegt. Dabei hat er zu ermitteln (siehe Abbildung 1), ob die Beschäftigten tätigkeitsbedingt:
(2) Auch die Kombination aus Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen mit Händewaschen und Hautkontakt mit Wasser oder wässerigen Flüssigkeiten kann zu einer Gefährdung durch Feuchtarbeit führen. Beispiele für solche Tätigkeiten sind in Anhang 1 aufgeführt.
(3) Das ausschließliche Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen ist keine Feuchtarbeit.
(4) Werden Tätigkeiten mit flüssigkeitsdichten Handschuhen ausgeführt, die aus Produktschutzgründen oder zum Schutz vor biologischen Gefährdungen getragen werden müssen, gelten die gleichen Regeln wie unter Absatz 1 beschrieben.
(5) Bei der Anwendung von reibekörper- oder lösemittelhaltigen Hautreinigungsmitteln kann es bereits bei einer geringeren Waschfrequenz tätigkeitsbedingt zu Schädigungen der Hautbarriere und damit zu Feuchtarbeit kommen.
(6) Bei einer zwingenden Kombination von Händewaschen und Händedesinfektion im Wechsel mit dem Tragen von flüssigkeitsdichten Schutzhandschuhen kann es bereits bei einer geringeren Waschfrequenz zu Feuchtarbeit kommen.
Abb. 1: Vorgehensweise zur Ermittlung, ob Feuchtarbeit vorliegt.